Pressemitteilung zum Strafprozess wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt am Landgericht Düsseldorf.
Am Donnerstag, den 15. Mai 2025 startete am Landgericht Düsseldorf ein Strafprozess wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt gegen einen Polizisten, die Anklage könnte sogar zum Vorwurf des versuchten Totschlags hochgestuft werden. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie war zur Prozessbeobachtung vor Ort und beklagt die fehlende mediale Aufmerksamkeit für den Prozess.
Im Jahr 2024 haben deutsche Polizist*innen 22 Menschen erschossen, mehr als je zuvor.1 Ende April 2025 waren es schon elf Menschen, die durch Polizeischüsse zu Tode gekommen sind, ein beängstigender Trend.
Die tödlichen Schüsse von hinten auf den 21-jährigen schwarzen Oldenburger Lorenz in der Nacht vom 20. April 2025 hat deutschlandweit zu Beileidsbekundungen, Demonstrationen und anhaltenden Diskussionen um strukturelle Veränderungen geführt.
Gleichzeitig erhält ein am 15. Mai gestarteter Strafprozess am Landgericht Düsseldorf gegen einen Polizisten, der ebenfalls von hinten auf eine Person geschossen hat, kaum Aufmerksamkeit.
Ein Polizeikommissar ist angeklagt, am 10.8.2024 einen 32-jährigen Mann nach einem Tasereinsatz mit einem Schuss in den Rücken lebensgefährlich verletzt zu haben. Dieser überlebte nur aufgrund einer rechtzeitigen Notoperation. Hintergrund war ein nächtlicher Notruf, dass Passant*innen im WGZ-Park mit einem Messer bedroht würden.
Ein Messer wurde bei dem Verletzten allerdings nicht gefunden, und niemand - weder der Angeklagte, noch die am ersten Verhandlungstag angehörten Zeug*innen - hatten konkret ein Messer gesehen. Sie erinnern sich an einen metallischen bzw. spitzen Gegenstand; ein Zeuge sagte aus, er habe die Handbewegungen des Mannes als das Öffnen eines Butterfly-Messers interpretiert. Zeug*innen benannten, der Mann habe verwirrt gewirkt, zudem habe er unverständlich gesprochen, zwei Personen erkannten, dass er persisch sprach.
Trotz fortgesetzter Forderungen von Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen, dass insbesondere für Menschen in psychischen Krisensituationen bewaffnete Polizei nicht die richtige Antwort ist und potentiell immer tödlich sein kann, wird im laufenden Strafprozess genau dieses Vorgehen wieder einmal als die einzige denkbare Strategie propagiert.
Verteidiger Michael Emde, der im Dortmunder Strafprozess wegen des Todes von Mouhamed Lamine Dramé durch die Polizei den Dienstgruppenleiter anwaltlich vertrat, verteidigt nun auch in diesem Prozess den angeklagten Polizisten. Er erklärte den Schusswaffen- und Tasereinsatz seines Mandanten in Düsseldorf für alternativlos und griff die Kollegin des Polizisten scharf an, die im Zeugenstand aussagte, sie verfolge deeskalativere Ansätze.
Britta Rabe vom Grundrechtekomitee stellt fest: “In Düsseldorf wurde mit dem vermeintlich gefährlichen Mann weder beruhigend kommuniziert, es wurden ausschließlich Befehle in deutscher Sprache gerufen, es wurden keine Menschen mit psychologischer Ausbildung angefordert, die deeskalierend einwirken konnten. Die Polizei-Kollegin, die favorisierte, statt sofortigem Waffeneinsatz erst einmal die Situation verstehen und mehrere Lösungen zu erwägen, wurde vom Verteidiger Emde als unprofessionell abqualifiziert.”
Michèle Winkler vom Grundrechtekomitee ergänzt: „Die Verteidigungsstrategie bekräftigt genau die Einstellung, die zur steigenden Anzahl tödlicher polizeilicher Schusswaffen und Tasereinsätze führt. Der Unwillen und die Unfähigkeit, überhaupt noch kommunikative und deeskalierende Polizeitaktiken in Erwägung zu ziehen, führen direkt zu mehr todbringenden Einsätzen. Das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Kontrollierten scheinen wenig zu zählen."
Als Grundrechtekomitee erwarten wir, dass die Forderungen und Erkenntnisse zu tödlicher Polizeigewalt in dem Prozess Beachtung finden.
Wir fordern außerdem dazu auf, den Prozess zu kritisch zu begleiten.
Die nächsten Termine sind 20, und 26. Mai und 3. Juni jeweils um 10 Uhr, Landgericht Düsseldorf.
1Das Monitoring der Zeitschrift für Bürgerrechte und Polizei / CILIP listet alle polizeilichen Todesschüsse seit 1976. In dieser Aufzeichnung war die bisher höchste Anzahl an polizeilichen Todesschüsse im Jahr 1983 erfasst worden. In den letzten Jahren schwankte die Zahl immer um rund zehn tödlich getroffene Personen. https://polizeischuesse.cilip.de/