35 Jahre Grundrechtekomitee

<p>Die Zeitung "junge welt" veröffentlichte am 21.11.2015 ein Interview mit Elke Steven zum 35-jährigen Jubiläum des Komitees für Grundrechte und Demokratie: https://www.jungewelt.de/2015/11-21/008.php<br /> <strong>»Ursache und Wirkung von Krieg benennen«</strong></p> <p><strong>Grundrechtekomitee warnt ­anlässlich seines 35jährigen Bestehens vor ­weiteren Einschränkungen der Bürgerrechte. Gespräch mit Elke Steven</strong></p> <p><em>Interview: Markus Bernhardt</em></p>

Die Zeitung "junge welt" veröffentlichte am 21.11.2015 ein Interview mit Elke Steven zum 35-jährigen Jubiläum des Komitees für Grundrechte und Demokratie: www.jungewelt.de/2015/11-21/008.php

»Ursache und Wirkung von Krieg benennen«

 

Grundrechtekomitee warnt ­anlässlich seines 35jährigen Bestehens vor ­weiteren Einschränkungen der Bürgerrechte. Gespräch mit Elke Steven

 

Interview: Markus Bernhardt

 

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie feierte jüngst sein 35jähriges Bestehen. Welche Themen dominieren Ihre Arbeit aktuell?

 

Ein Blick auf die gegenwärtigen Verhältnisse lässt erschaudern. Menschen in Not machen sich auf den Weg und suchen Zuflucht, aber ihre Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Innerhalb kürzester Zeit wird das Grundrecht auf Asyl ausgehebelt. Dabei wurde es schon 1993 faktisch abgeschafft. Es geht jedoch immer noch menschenrechtswidriger. Der globale Norden wird nun mit seiner neoliberalen Herrschaftspolitik, mit den Folgen des Militarismus, der nur neue Kriege entfacht, konfrontiert. Statt aber Verantwortung zu übernehmen, geht es weiter mit der Abschottung und der Sicherung der eigenen Pfründe.

 

Wir beobachten eine zunehmende Militarisierung der Außenpolitik und ein Erstarken des Nationalismus. Rassistische Ansichten werden zunehmend wieder offen geäußert, und das nicht nur am rechten Rand, Flüchtlingsheime brennen. Angesichts dieser Zustände muss man mit Lessing sagen: »Wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren.«

 

Aber es gibt auch Hoffnungsschimmer. Die Flüchtenden haben das Migrationsregime faktisch außer Kraft gesetzt. Viele Bürger und Bürgerinnen sind bereit zu helfen, bauen soziale und politische Solidaritätsstrukturen auf.

 

Gab es in der langen Zeit Ihrer Arbeit etwas, was Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

 

Ich begleite seit mehr als zwanzig Jahren Versammlungen auch im Rahmen unserer Demonstrationsbeobachtungen. Da haben sich viele Bilder tief eingegraben – von kreativem Protest sowie von erschreckender polizeilicher Gewalt. Immer selbstverständlicher finden Bürger Wege, sich ihr Grundrecht zu nehmen und selbst zu bestimmen, wo und wie sie ihre Forderungen vortragen wollen.

 

Bedrückend sind die nicht enden wollenden staatlichen Versuche, das Grundrechte einzuschränken. Pegida- und Hogesa-Versammlungen lassen nicht nur den Staat, sondern bedauerlicherweise auch viele Bürger wieder nach Verboten rufen. Der Abbau von Grund- und Menschenrechten aber ist das letzte, was im Kampf gegen Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus Erfolg verspricht.

 

Befürchten Sie, dass es aufgrund des Terroranschlags von Paris auch in der Bundesrepublik zu einem weiteren Abbau der Freiheitsrechte kommen wird?

 

Solche Anschläge wurden in der Vergangenheit stets dazu genutzt. Das befürchte ich auch jetzt. Wir müssen daher auch auf die Ursachen dieser schrecklichen Attentate hinweisen. Das ist unter anderem die Kriegspolitik der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft. Auch die Waffenlieferungen Deutschlands an Staaten wie Saudi-Arabien spielen dabei eine Rolle. Wer wirklich die Sicherheit in Europa verbessern will, muss endlich aufhören, an der Aufrüstung von Kriegs- und Krisengebieten verdienen zu wollen. Zugleich müssen die sozialen Konflikte innerhalb der europäischen Gesellschaften gelöst werden – die Ausgrenzung ganzer Gruppen, auch die Islamfeindlichkeit, müssen als eine Ursache dafür wahrgenommen werden, dass junge Männer sich für Attentate rekrutieren lassen.

 

Einen hundertprozentigen Schutz vor terroristischen Anschlägen wird es übrigens auch dann nicht geben, wenn man Bürgerrechte bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Wohin die Reise gehen soll, sehen wir an den Debatten um mögliche Einsätze der Bundeswehr im Inland. Das war ja schon ein langgehegter Wunsch vor allem der CDU/CSU. Im Windschatten der Anschläge von Paris könnte es nun dazu kommen, dass nun weitere rechtliche Voraussetzungen dafür geschaffen werden.

 

Welche Aufgaben haben Bürgerrechtler nun?

 

Wir müssen besonnen agieren, gegen die Aushöhlung von Grund- und Freiheitsrechten argumentieren, Ursache und Wirkung in Sachen Krieg benennen und vor allem gegen Versuche der Rechten mobil machen, Flüchtlinge unter Terrorismusverdacht zu stellen. Ich sehe da einen großen Batzen Arbeit auf uns zukommen.

 

Elke Steven ist Soziologin und Journalistin und als Referentin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie in Köln tätig

www.grundrechtekomitee.de