25. Nov. 2025
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Ausweitung polizeilicher Macht, Abbau sozialer Sicherheit. Nein zur ASOG-Reform

Anknüpfend an die bereits im Jahr 2023 erfolgten weitreichenden Verschärfungen des Berliner Polizeigesetzes (ASOG) treibt die amtierende Senatskoalition aus CDU und SPD derzeit eine erneute Reform voran, die ihren Vorgänger im Umfang deutlich übertreffen soll. Während der Berliner Polizei vor zwei Jahren bereits die flächendeckende Nutzung von Elektroschockwaffen (Taser) und Bodycams erlaubt und zudem das Mittel des Präventivgewahrsams ausgeweitet wurde, enthält die 700-seitige Novelle eine weitere breite Palette teils tiefgreifender Verschärfungen.

Zentral sieht der Entwurf eine Reihe an (digitalen) Überwachungsmaßnahmen vor. Fortan darf die Berliner Polizei neben herkömmlicher Telefonüberwachung auch sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchungen durchführen. Hierbei wird bei Betroffenen unbemerkt Spähsoftware auf ein Gerät gespielt, um sämtliche Kommunikation sowie weitere Daten zu überwachen und auszulesen. 

Bei der dafür benötigten Software ist in der Praxis völlig unklar, wie weitreichend diese in die Privatsphäre von Betroffenen eindringen kann. Letztlich motiviert die Erlaubnis zum Einsatz solcher – auch als Staatstrojaner bezeichneter – Software staatliche Stellen zu dem gezielten Offenhalten von Schwachstellen in IT-Sicherheitssystemen. Der potenzielle Schaden geht demnach weit über einzelne betroffene Personen hinaus.

Zusätzlich will die schwarz-rote Koalition die Einsatzschwelle des polizeilichen Schusswaffengebrauchs absenken. Über eine Verschärfung des Gesetzes über die polizeiliche Gewaltanwendung (UZwG Bln) soll der potenziell tödliche Einsatz von Schusswaffen fortan auch auf Befehl und ohne vorherige Warnung erfolgen. Die neuen Regelungen erlauben zudem, Schusswaffen nunmehr auch gegen Kinder einzusetzen. Polizeiliche Todesschüsse befinden sich deutschlandweit seit Jahren im Anstieg. Letztes Jahr wurden insgesamt 22 Menschen durch die Polizei erschossen. Ein Höchststand laut der seit 1976 geführten Dokumentation durch die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP.

Die Ausweitung und Normalisierung tödlicher Schussgewalt durch die Polizei – die insbesondere immer wieder psychisch kranke und rassismusbetroffene Menschen trifft – muss entschieden abgelehnt werden. Darüber hinaus sieht das Gesetzesbün- del die Konkretisierung des Konzepts sogenannter kriminalitätsbelasteter Orte (kbO) vor. Bereits nach der alten Fassung des ASOG konnte die Polizei Berlin an bestimmten Orten im Stadtgebiet vorgeblich „verdachtsunabhängige“ bzw. „verhaltensabhängige“ Kontrollen durchführen. Neu ist der Vorschlag, an kbO nun ebenfalls KI-gestützte Videoüberwachung einzusetzen.

Die Zielgruppen dieser Verschärfungen sind klar. Die derzeitigen sogenannten kbO beziehen sich vornehmlich auf von Wohnungslosen, Bettelnden, Drogengebrauchenden oder migrantischen Menschen aufgesuchte oder bewohnte Orte. Durch das Framing dieser Orte als gefährlich, unsicher und kriminalitätsbelastet findet eine Verknüpfung dieser Zuschreibungen mit bestimmten Menschengruppen statt (ISKS, S. 37-38). 

Diese rassistischen und klassistischen Stigmatisierungs- und Kriminalisierungsprozesse führen dazu, dass soziale Probleme sicherheitspolitisch umgedeutet und marginalisierte Gruppen gezielt polizeilicher Kontrolle unterworfen werden. Die Ausweitung polizeilicher Befugnisse in diesem Bereich ist nicht nur abzulehnen; das gesamte Konzept der sogenannten kriminalitätsbelasteten Orte gehört abgeschafft!

Die umfassenden Verschärfungen des vorliegenden Gesetzesbündels sollen zur Arbeitsgrundlage einer Berliner Polizei werden, die zunehmend selbstgerecht und enthemmt agiert. Racial Profiling, rechtsextreme Beamt*innen und exzessive Gewaltanwendung sind auch bei der Polizei Berlin keine Einzelfälle, sondern Ausdruck struktureller Probleme innerhalb der Behörde, die durch die massive Ausweitung polizeilicher Befugnisse gezielt kaschiert und weiter legitimiert werden sollen. 

Die sicherlich mit hohen Kosten einhergehenden Änderungsvorschläge stehen zudem massiven Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich gegenüber und nähren die falsche Vorstellung, gesellschaftliche Probleme wie Wohnungsnot oder Obdachlosigkeit ließen sich mit mehr Polizei, mehr Überwachung und gewaltvoller Verdrängung lösen.

■ Aaron Reudenbach

 

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