04. Dez. 2005
Gefangenenunterstützung

Bericht des Gefangenenbeauftragten 2005

I. Die Beschäftigung mit der Situation im Strafvollzug ist eine in der Satzung festgelegte Aufgabe, auf die sich – neben anderen – die Gemeinnützigkeit gründet. Aus diesem Arbeitsschwerpunkt, der seit Gründung des Komitees bis heute kontinuierlich bearbeitet wird, ist die „Institution“ Gefangenenbeauftragte(r) entstanden. Die Aufgaben und Arbeit der Gefangenenbeauftragten übe ich nunmehr seit 1995 aus. Die Tätigkeit besteht nach wie vor im Wesentlichen in der Bearbeitung von durchschnittlich mindestens 10 Briefen von Gefangenen pro Woche, die sich mit Problemen und der Bitte um Unterstützung und Hilfe durch das Komitee an uns wenden.

Die Mehrzahl der Anliegen, die an uns herangetragen werden, können wir nach wie vor überhaupt nicht aufgreifen. So schreibt z.B. Herr R.: „Hiermit möchte ich Sie um Überprüfung meines Falles bitten. Ich bin ein mehrfach zu Recht verurteilter Sexualstraftäter, aber mit meiner jetzigen Verurteilung kann ich mich nicht abfinden, weil ich mich für unschuldig halte …“

Oder Herr D.: „Da mir aufgrund von zahlreichen Pro- und Kontra-Gutachten verchiedene und im Ergebnis stark abweichende Prognosen zugesprochen werden, die mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren sind, bitte ich Sie, meine Gutachten einer fachlichen Überprüfung zu unterziehen …“ Das ist für uns natürlich nicht möglich, und der betreffende Gefangene erhält dann von uns einen persönlich gehaltenen Brief mit einer Absage.

Immer wieder kann man sich da fragen, ob diese Arbeit sich wirklich „lohnt“ und was damit erreicht werden kann. An der Zahl der erfolgreichen Interventionen kann man eine solche Arbeit natürlich nicht messen. Wir sehen uns mehr als eine Anlaufadresse, als jemanden, den man anschreiben kann, wo man jammern kann oder mal seinen Frust loswerden, ohne dass das für den Fortgang des Vollzugs negative Konsequenzen hat. Und der einem doch im einen oder anderen Fall vielleicht auch tatsächlich die Informationen geben kann, die einem weiter hilft oder das Buch schickt, das man sich gewünscht hat.

Dies hat ganz klar für die Gefangenen einen Stellenwert, der nicht unterschätzt werden darf. Das macht wieder Mut, weil Gefangene merken, dass es da draußen doch noch Leute gibt, die einen hören.

II. Im letzten Bericht im Dezember 2003 hatte ich erstmals über den „Diezer Käfig“ berichtet, einen eingezäunten Hof, Kantenlänge 7 mal 8 Meter, Zaunhöhe ca. 2.50 Meter, oben von einem Stacheldraht gekrönt. Hier verbringen Gefangene, die diszipliniert werden, ihre eine Stunde Bewegung im Freien, in einer Art Käfigzwinger, einsehbar von 150 Zellenfenstern.

Unsere Versuche, die JVA Diez zu besuchen und diesen „Käfig“ in Augenschein nehmen und mit der Anstaltsleitung darüber sprechen zu können, fruchteten bis heute nicht. Es war und ist nicht möglich, Zutritt zu bekommen. Wir haben den Diezer „Käfig“ jetzt für den Besuch des CPT (Europäisches Komitee zur Prävention gegen Folter) vorgeschlagen und hoffen, dass eine Stellungnahme dieser Institution vielleicht doch irgendwann dazu führen kann, dass der „Käfig“ wieder verschwindet.

III. Alt-neue Themen sind aufgekommen: Da wird einem an Hepatitis C erkrankten Untersuchungsgefangenen in Berlin durch die Anstaltsleitung die Aushändigung seiner verordneten homöopathischen Medikamente verweigert und die regelmäßige Verabreichung von Spritzen einfach nicht oder zu spät, also ganz unregelmäßig durchgeführt, obwohl die Staatsanwaltschaft die homöopathischen Medikamente ausdrücklich zugelassen hatte.

Auf unsere ausführliche Nachfrage und Bitte, dafür Sorge zu tragen, dass die Medikamente regelmäßig verabreicht und ausgehändigt werden, lautet die lapidare Antwort: „Herr S. wird hier umfassend medizinisch versorgt. Er erhält die benötigten Medikamente. Weitere Auskünfte kann ich Ihnen nicht erteilen, da keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vorliegt.“

Bleibt abzuwarten, ob nach Vorlage der Entbindungserklärung eine zufriedenstellende Antwort erfolgt. Wir sind eher skeptisch.

Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zur Ausweisung straffällig gewordener Ausländer beschäftigt uns noch: War die Rechtsprechung bisher davon ausgegangen, dass Ausländer, die wegen bestimmter schwererer Delikte und vor allem auch wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt wurden, in der Regel auszuweisen waren, hat das Bundesverwaltungsgericht im August 2004 seine bisherige Rechtsprechung hierzu geändert und geurteilt, dass türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht aufgrund der EG-Assoziation besitzen, nur noch auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Ermessens- und damit auch Einzelfallentscheidung und eben nicht mehr in der Regel immer abgeschoben werden dürfen.

Es erreichten uns in der Folge jedoch Briefe von ausländischen Inhaftierten, bei denen sich die Ausländerbehörden nach wie vor auf die Regelausweisung berufen. Hiergegen sind Klagen anhängig. Die Betroffenen versprechen sich von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes ziemlich viel, uns scheint dagegen eine gewisse Skepsis angebracht. Ermessensentscheidung bedeutet, dass die Behörde bei der Entscheidung über eine Ausweisung neben der Schwere des Verstoßes auch schutzwürdige Belange des Betroffenen und seiner Familie in die Überlegungen mit einbeziehen muss.

Die Entscheidung kann aber mit entsprechender Argumentation immer lauten, dass auch nach Abwägung der verschiedenen Belange die Ausweisung verfügt wird.

IV. Mit großen und kleinen Beispielen in immer neuer Folge könnte man lange fortfahren, was ich an dieser Stelle nicht tun will. Ich werde auch versuchen, mich von der nicht endenden Welle nicht überrollen zu lassen und neben der Beantwortung der einzelnen Briefe auch immer mal wieder ein geeignetes Thema in den Komitee-Informationen oder an sonst geeigneter Stelle herauszustellen.

gez. Sonja Vack