Bericht über die Demonstrationsbeobachtung am 28. Mai 2007 in Hamburg anlässlich der Proteste gegen den ASEM-Gipfel

Das Verbot der beantragten Route sowie die teilweise sehr restriktiven Demonstrationsauflagen haben das Demonstrationsrecht ungerechtfertigt eingeschränkt.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat die Demonstration aus Anlass des Protestes gegen den ASEM-Gipfel am 28. Mai 2007 in Hamburg mit 11 neutralen BeobachterInnen begleitet. Der folgende Kurzbericht bezieht sich ausschließlich auf die Ereignisse während der Demonstration bis zu deren Auflösung am Rödingsmarkt. Er sollte ursprünglich auf der gestrigen Pressekonferenz vorgestellt werden. Dies scheiterte jedoch an einem Polizeibeamten, der die VertreterInnen des Komitees daran hinderte, zur Pressekonferenz zu gelangen.

Ergebnisse der Demonstrationsbeobachtung

1. Diese Demonstration wurde bereits in den vergangenen Wochen politisch und polizeilich unter erheblichen Druck gesetzt. Es wurde der Eindruck erweckt, als erwarte man in Hamburg Gewalttäter und „Terroristen". Der größte Polizeieinsatz und eine Null-Toleranz-Linie in Hamburg wurden angekündigt. Die gewollte Demonstrationsroute, die so dicht als möglich an den Ort der Konferenz heranführen sollte, wurde verboten.

 

2. Die massive Polizeipräsenz, insbesondere das mitunter dreireihige, extrem enge Spalier hat das Demonstrationsrecht massiv eingeschränkt. Das Anliegen einer Demonstration kann so in keiner Weise angemessen vermittelt werden. Vermittelt wird der Öffentlichkeit vielmehr – bis in die Un-Sichtbarkeit der Demonstration – eine dicht gestaffelte Polizeipräsenz, durch die das Anliegen der Demonstration selbst wie etwas Verbotenes, Unziemliches erscheint. Die deutlich sichtbaren Beschränkungen durch die Polizei, wie zum Beispiel der „Wanderkessel", vermittelt der beobachtenden Öffentlichkeit den Eindruck, Demonstrieren an sich sei illegitim; keinesfalls jedoch taugt diese Polizeitaktik dazu, das Demonstrieren als ein legitimes und schützenswertes Handeln zu kommunizieren. Auf diese Weise wird das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung massiv beschnitten.

 

3. Dass es trotz dieser massiven Präsenz der Polizei zu nur wenigen Zwischenfällen kam, ist vor allem der Disziplin der Demonstrierenden zu verdanken. Sie ließen sich durch die beängstigende Repräsentation des staatlichen Gewaltmonopols und die räumliche und körperliche Bedrängnis durch die Polizei nicht provozieren. Andererseits hat ganz offenkundig die Einsatzleitung der Polizei ebenfalls dazu beigetragen, dass es in einzelnen Situationen, die bei unbedachtem (oder bewusst eskalierendem) Vorgehen hätten eskalieren können, nicht zu einer Zuspitzung und gewaltförmigen Eskalation kam. Die im Vorfeld in der Presse angekündigte "niedrigschwellige" Polizeitaktik (gemeint war damit von Seiten der Polizeiführung wohl eine niedrige Schwelle bei der Anwendung polizeilicher Gewalt) kam nach der offiziellen Auflösung der Demonstration um so deutlicher zum Einsatz.

 

4. Die relativ wenigen Zwischenfälle während der Demonstration, in denen wir unangemessenes oder überhartes Verhalten der Polizei beobachtet haben, scheinen Einzelfälle zu sein, denen nachgegangen werden sollte, die aber den beschriebenen Charakter des Ganzen nicht beeinträchtigen.

 

5. Direkt nach der Beendigung der Demonstration durch die Demonstrationsleitung trug die Polizei durch ein der Situation nicht angemessenes Verhalten (nahezu Einkesselung, vermehrtes sehr ruppiges bis vereinzelt auch brutales Vorgehen gegen abziehende Demonstrierende) dazu bei, dass der Abzug der Demonstrierenden nicht zügig vonstatten gehen konnte.

 

Zusammengefasst wird deutlich, dass die Einschränkung des Demonstrationsrechtes, die wir insbesondere in dem Verbot der beantragten Route, der massiven Polizeipräsenz und den restriktiven Auflagen sehen, offenkundig politischem Kalkül entspringt. Dass dieses Kalkül nicht gefruchtet hat – als Beleg dafür sehen wir die hohe Teilnehmerzahl und den entschlossenen und disziplinierten Ablauf der Demonstration -, ist ein schöner Erfolg im Kampf zur Verteidigung des Demonstrationsrechts, gerade auch im Hinblick auf die anstehenden Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm. Der Verlauf der Demonstration straft das politische und polizeiliche Vorgehen im Vorfeld Lügen.

Das macht auch im Nachhinein deutlich, dass beispielsweise das Verbot der beantragten Route sowie die teilweise sehr restriktiven Demonstrationsauflagen das Demonstrations-recht ungerechtfertigt eingeschränkt haben.

 

Für das Komitee für Grundrechte und Demokratie:

Theo Christiansen / 29. Mai 2007