25. Nov. 2025 © picture alliance / NurPhoto | Michael Nguyen
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Bundeswehr: Mit Zwang in den Krieg – Wehrdienst-Modernisierungsgesetz im Bundestag

Am 27. August 2025 verabschiedete das Bundeskabinett das von Boris Pistorius auf den Weg gebrachte Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG). Am 16. Oktober fand die erste Lesung im Bundestag statt. Wegen der Anforderungen der NATO an die Truppengröße der Bundeswehr soll diese auf 260.000 (statt aktuell 180–190.000) aktive Soldat*innen anwachsen. Die Reserve soll gleichzeitig von 100.000 auf 200.000 Personen ausgebaut werden. Vorläufig soll der neue Wehrdienst auf Freiwilligkeit basieren, tatsächlich bringt das Gesetz aber eine Reihe verpflichtender Schritte mit sich und ebnet den Weg für eine schnelle Rückkehr zur Wehrpflicht.

Zwangs-Befragungen und Erfassungen

Der sogenannte „Neue Wehrdienst“ soll zunächst freiwillig sein, aber die Anreize werden erheblich gesteigert. Als erstes verpflichtendes Element kommt mit dem Gesetz die zwangsweise Befragung aller jungen Männer im Alter von 18 Jahren hinzu. Sie müssen eine „Bereitschaftserklärung“ hinsichtlich des Wehrdienstes abgeben sowie Fragen zu körperlicher und geistiger Kriegstüchtigkeit beantworten. 

Junge Frauen erhalten diese Fragebögen auch, aber für sie ist die Beantwortung freiwillig, da sie nicht der Wehrpflicht unterliegen. Andere Geschlechtsidentitäten werden nicht erwähnt, im Gesetzentwurf kommen nur Männer und Frauen vor. Für die Einbeziehung von Frauen in die Wehrpflicht wäre eine Grundgesetzänderung mit 2/3-Mehrheit notwendig. Zur Erinnerung: Männer im Alter von 18–60 Jahren unterliegen nach wie vor der Wehrpflicht. 

Nur der Wehrdienst in Friedenszeiten wurde 2011 ausgesetzt. Der Aussetzungs-Paragraph des Wehrpflichtgesetzes (WpflG) umfasst eine automatische Wiedergeltung der Wehr- und Kriegspflicht für den Spannungs- und Verteidigungsfall in vollem Umfang. Durch das WDModG werden einige zentrale Teile des WpflG wieder in Kraft gesetzt.

Die Nichtbeantwortung der neuen Bundeswehr-Fragebögen durch Männer wird als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern geahndet. Im Wesentlichen bedeutet die Fragebogen-Aktion die systematische Wiedereinführung der vollständigen Wehrerfassung der gesamten Bevölkerung ab Jahrgang 2007. In diese Erfassung sollen später auch peu à peu ältere Jahrgänge einbezogen werden. 

Zwangs-Musterungen 

Ein weiteres Zwangselement des Gesetzes ist die vorgeschriebene Musterung aller jungen Männer ab 1. Juli 2027. Die Kosten dafür werden im Gesetz mit rund 54 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Die Zwangs-Musterungen sollen dazu dienen, einen wachsenden Überblick über alle wehrdienst- bzw. kriegsfähigen Männer zu bekommen. 

Gegen die Datenweitergabe durch die örtlichen Behörden an die Bundeswehr – aktuell für Werbezwecke – konnte man bislang Widerspruch einlegen. Dies entfällt ab Inkrafttreten des WDModG, da die Datenweitergabe und -erfassung für junge Männer ab 17 Jahren wieder verbindlich eingeführt wird. Junge Frauen werden der Datenweitergabe weiterhin widersprechen können.

Pauschalermächtigung der Exekutive 

Wesentlicher Bestandteil des neuen Gesetzes ist zudem der Ermächtigungs- Paragraph, mithilfe dessen die Bundesregierung je nach Bedarf und Lageein- schätzung die alte Wehrpflicht vollumfänglich wieder in Kraft setzen kann. Dies würde im Wege einer „Rechtsver- ordnung“ geschehen, die zwar in diesem Fall der Zustimmung des Bundestages bedürfte, aber weit unterhalb der Anforderungen eines üblichen Gesetzesverfahrens liegt. 

Damit wird die Exekutive weitgehend befugt, über eine Wehrpflicht-Inkraftsetzung zu entscheiden. Die flexible Möglichkeit, per Rechtsver- ordnung einen Zwangswehrdienst für 6 bis zu 12 Monate (im Spannungs- und Verteidigungsfall als Kriegsdienst zeitlich unbegrenzt!) einzuführen, ist nicht grundgesetzkonform. 

Solch weitgehende Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht erfordern ein Gesetz. „Freiwilligkeit“ unter ökonomischen Zwängen Um der „Freiwilligkeit“ nachzuhelfen, wird versucht, vor allem Jugendliche aus ärmeren Schichten in die Bundeswehr zu locken. Es winken 2.300 Euro netto, dazu freie Unterkunft, Verpflegung, freies Fahren und mehr. Die neuen „Freiwilligen“ werden – statt bisher als „Freiwillig Dienstleistende“ – als Zeitsoldat*innen (SaZ) eingestellt und nun nach dem Bundesbesoldungsgesetz bezahlt. 

Dazu kommen Unterstützung für Ausbildung oder Studium und satte 3.500 Euro Zuschuss zu einem Führerschein. Das sind für 18-Jährige extrem hohe materielle Anreize. Die sogenannte (vorläufige) Freiwilligkeit wird also durch extrem hohe ökonomische Belohnung befördert. Diese Anreize und Förderungen könnten sogar geeignet sein, freie Gewissensentscheidungen zu erschweren, wenn nicht gar zu blockieren.

Kriegsdienste verweigern!

Das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz ist im Ergebnis rundherum abzulehnen. Im Kern enthält das Gesetz bereits die Rückkehr zur umfassenden Wehrdienstpflicht. Ob von der Opposition noch durchgesetzt wird, eine zahlenmäßige Markierung von Freiwilligen- Zahlen einzufügen, bei deren Nichterreichung die Wehrpflicht dann automatisch wieder gelten würde, ist eigentlich einerlei. 

Die Wehrpflicht ist im Grunde mit dem WDModG wieder vorgesehen. Es bleibt zu hoffen, dass sich bereits angesichts der Fragebogenaktion zur Kriegstüchtigkeit viele Jugendliche und junge Männer Gedanken über die Sinnhaftigkeit bzw. Sinnlosigkeit mörderischen Handelns im Krieg machen und zu einer eigenen fundierten Gewissensentscheidung gegen jeden Kriegsdienst mit der Waffe gelangen! 

Sie können mit der Beantwortung des Fragebogens bei der Motivationsfrage angeben, sich zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen entschieden zu haben. Parallel müssten sie gleichzeitig ihren Antrag mit den notwendigen Unterlagen auf dem üblichen Rechtsweg über die Karrierecenter der Bundeswehr einreichen. Auch die befragten jungen Frauen können den Anreizen des freiwilligen Wehrdienstes jetzt schon widersprechen, den Soldatinnen- Beruf ablehnen und dies via Fragebogen- Rücksendung zum Ausdruck bringen.

■ Martin Singe
Martin Singe ist u.a. im neu gegründeten KDV-Beratungsteam Bonn aktiv. Infos, Hinweise zum Verfahren und Beratungsmöglichkeiten zur Kriegsdienstverweigerung gibt es u.a. bei der EAK und der DFG-VK: 
www.eak-online.de/kdv-antragsverfahren
www.dfg-vk.de/verweigerung

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