17. Nov. 2025 © Rheinmetall-Entwaffnen

Das Bündnis "Rheinmetall entwaffnen" trotzt in Köln Polizei und Behörden: Protest gegen Aufrüstung, Militarismus und Kriegsregime politisch unerwünscht?

Vom 25. bis 31. August 2025 veranstaltete das antimilitaristische Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ ein Camp in Köln. Es wollte Austausch und Vernetzung mit Veranstaltungen und Aktionen gegen Rüstungsunternehmen, Kriegsprofiteure und politische Verantwortliche verbinden. Angesichts der jüngsten politischen Entscheidungen zu Aufrüstung und astronomischen Summen für Kriegstreiberei und Bundeswehr war der Moment gut gewählt. Als Komitee für Grundrechte und Demokratie begleiteten wir die Durchsetzung des Camps eng, wir besuchten zudem inhaltliche Veranstaltungen und waren auf der Abschlussdemonstration vor Ort.

Nachdem die Polizei Köln erst ankündigte, ein Verbot zu prüfen, flatterte am 8. August dann die Verbotsverfügung ins Haus: Das Camp unter dem Motto „Mach was wirklich zählt! Rheinmetall entwaffnen“ sollte nicht stattfinden. Als Begründung wurde seine Unfriedlichkeit attestiert, als Aufhänger diente – Achtung, keine Satire – der Slogan „Krieg dem Krieg“. Die Polizei Köln mutmaßte, das Camp gegen Aufrüstung würde mit kriegerischen Mitteln vorgehen wollen. Sie versuchte darüber hinaus, einzelne politisch Aktive mit Aufforderungen per Post einzuschüchtern, die an Gefährderansprachen erinnern. Die Betroffenen sollten sich „von Streitereien fernhalten“.

Skandalöser Weise bestätigte das Verwaltungsgericht Köln das Verbot, das schließlich erst kurzfristig vom OVG Münster am 23. August aufgehoben wurde. Das OVG stellte fest, dass von den vielfältigen geplanten „Diskussionen, Vorträgen, Workshops und künstlerische[n] Aktionen keine Gefahr ausgehe“. (1) Eine Demonstration am selben Abend, zu der spontan wegen des Verbots aufgerufen worden war, wurde zu einem ausdrucksstarken Marsch gegen Krieg und Militarisierung.

Die Repression gegen das Camp führte dazu, dass viele Menschen bereits früher nach Köln anreisten. Zum Camp-Beginn, einem Dienstag, hatten bereits rund 500 Camper*innen ihre Zelte im Kölner Grüngürtel aufgeschlagen. Auf dem Camp kamen mehr als 1.300 Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammen.

In den nächsten Tagen gab es neben diversen Veranstaltungen und Diskussionen auf dem Camp verschiedene Aktionen in Köln und Umland. Das Karrierecenter der Bundeswehr in Köln wurde frühmorgens blockiert, ein SPD-Büro kurzzeitig besetzt, die Deutz-AG blockiert, wo Motoren für Militärfahrzeuge hergestellt werden, in Düsseldorf-Meerbusch wurde Rheinmetall-Chef Armin Papperger unter seiner Privatadresse aufgesucht, in Bonn Rheinmetall-Systems blockiert und Schüler*innen wurden an den Schulen über die Pläne zur Wehrpflicht und Möglichkeiten der Verweigerung aufgeklärt.

Die Verbotsversuche gegen das Camp zielten darauf, das sog. Brokdorf-Urteil von 1985 auszuhebeln. Darin hatte das Bundesverfassungsgericht damals festgestellt, ein Versammlungsverbot im Vorhinein könne nicht ein Fehlverhalten von Einzelnen oder Gruppen unterstellen, es müsse insgesamt als unfriedlich erkennbar sein. Mit dem Versuch, eine ganze antimilitaristische Bewegung bzw. ein ganzes Bündnis per Verbot als Gefahr zu deklarieren und auf diese Weise das Camp zu verbieten, sind die Polizei und das VG Köln gescheitert.

Die antimilitaristische Parade am 30. August, die das Bündnis gemeinsam mit dem Kölner Friedensforum organisierte, sollte dann ein erneuter Versuch der Kriminalisierung und Feindmarkierung werden. Bei dem Demoauftakt auf dem Kölner Heumarkt war die Polizeipräsenz bereits enorm. Die Parade führte diverse dekorative Elemente mit sich: Neben mehreren Lautsprecherwagen gab es einen Wagen, der zu Desertion aufrief, ein Gedenkschrein wurde mitgeführt, ebenso wie die Statue einer "Trostfrau", die stellvertretend für die bis zu 200.000 Mädchen und Frauen steht, die in Korea von der japanischen Besatzungsmacht im 2. Weltkrieg sexuell versklavt wurden.

Doch nicht nur der Demostart verzögerte sich, weil die Polizei einzelne Vermummte monierte und vermeintliche Eisenstangen. Die Demo sollte noch mehrere Male gestoppt werden, bis sie von der Polizei schließlich in einer Seitenstraße in Rheinnähe angehalten und mehrere hundert Demonstrierende unter Einsatz von Schlagstock und Pfefferspray brutal gekesselt wurden. Die Demo hatte da nicht einmal den Ort der Zwischenkundgebung erreicht, geschweige denn den Zielort, die Konrad-Adenauer-Kaserne in Köln.

Ab dem Moment der Einkesselung gab es für den Anmelder der Demonstration drei ganze Stunden lang keinerlei Ansprechperson auf Seiten der Polizei. Die zuständige Kontaktpolizistin erklärte ihren Feierabend, bei der Polizei sei niemand mehr zuständig. 2,5 Stunden später, gegen 20:30 Uhr, wurde die Demo von der Polizei aufgelöst, ohne Kontakt mit dem Anmelder aufgenommen zu haben.

Die Polizei begann ab 22:30 Uhr eine Identitätsfeststellung aller im Kessel Verbliebenen. Hunderte Menschen waren da bereits 4,5 Stunden dort festgehalten, lange Zeit ohne Trinkwasser und ohne dass Sanitäter*innen Zugang zu Verletzten bekamen. Zugang zu Toiletten wurde bis zum Ende nicht gewährt. Die letzten Personen kamen erst am Sonntagmorgen um 5:20 Uhr aus dem Kessel und erhielten von der Polizei Platzverweise für die gesamte Stadt, außer dem Camp. Sanitäter*innen melden später über 200 verletzte Demonstrierende

Viele solidarische Menschen waren die gesamte Zeit über präsent und unterstützten die Eingekesselten auf vielfältige Weise, auch im Kessel war die Stimmung gemeinschaftlich und kämpferisch. Viele haben den Tag daher in der Ohnmacht als empowert erlebt.

Der Polizeieinsatz vom 30. August in Köln erscheint als eine selbsterfüllende Prophezeiung: Die Polizei wollte Gewalt und hat sie schließlich in die Demo getragen. Die im Vorfeld herbeigeredete Unfriedlichkeit von Camp und Demo haben Behörden und Polizei Köln sich mit dem Einsatz selbst bestätigt. Das Erlebte zeigt auf, was Protest gegen Krieg und Aufrüstung und gegen die autoritäre Politik allgemein auch in den kommenden Jahren zu erwarten hat.

Der Beitrag erschien zuerst im Friedensforum 6 /2025 

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