03. Juli 2024 © Polizei Ungarn Youtube
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Das Grundrechtekomitee fordert die sofortige Rückkehr von Maja T. aus Ungarn nach Deutschland

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie fordert die Generalstaatsanwaltschaft auf, alles dafür zu tun, Maja T. sofort aus Ungarn zurück zu holen. 
Die rechtsstaatswidrigen Alleingänge der Generalstaatsanwaltschaft Berlin und der sächsischen SoKo LinX sind lückenlos aufzuklären und müssen Konsequenzen haben.

In der Nacht zum 28. Juni 2024 wurde die Antifaschist*in Maja T. an Ungarn ausgeliefert, nur wenige Stunden, nachdem das Kammergericht über die Auslieferung entschieden hatte. 

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin und die sächsische SoKo Linx ignorierten den laufenden Eilantrag an das Bundesverfassungsgericht und handelten, ohne die Entscheidung aus Karlsruhe abzuwarten. Als das Bundesverfassungsgericht entschied, die Auslieferung sei zu stoppen, war Maja T. schon den ungarischen Behörden übergeben worden. 

Dieses Vorgehen werten wir als schwerwiegende Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze und als bewusstes Aushebeln fundamentaler Rechte von Maja T


Tom Jennissen, Geschäftsführender Vorstand des Komitees für Grundrechte und Demokratie erklärt:

 „Für die übereilte Auslieferung nach der Entscheidung des Kammergerichts bestand kein nachvollziehbarer Grund – außer das offenkundige Bemühen, einem Eilantrag beim Verfassungsgericht zuvorzukommen. Das Vorgehen kann daher nur als politisch motiviert verstanden werden. Offensichtlich soll Antifaschist*innen in Deutschland klar gemacht werden, dass sie in diesem Staat nicht willkommen sind und ihre Rechte mit Füßen getreten werden. Die ausliefernden Behörden haben sich für die Komplizenschaft mit einem rechten autoritären Regime entschieden und das Verfassungsgericht bewusst vor den Kopf gestoßen“
 

Erst am Nachmittag des 27. Juni hatte das Kammergericht Berlin das Auslieferungsersuchen Ungarns vom 24. November 2023 für zulässig erklärt. Im Dezember 2023 war Maja T. festgenommen worden und saß seitdem in der JVA Dresden in Untersuchungshaft.

Laut Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts wurde bereits in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 2024 mit der Überstellung an Ungarn begonnen Gegen 3:30 Uhr soll Maja T. aus der Zelle geholt und um 6:50 Uhr den österreichischen Behörden übergeben worden sein, die Maja T. weiter nach Ungarn bringen sollten, wie die Tagesschau berichtet.

Allerdings hatte Maja T.s Anwalt Sven Richwin das LKA Sachsen noch in der Nacht informiert, dass er beim Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag stellen werde. Diesen stellte er um 7:38 Uhr, um die Auslieferung von Maja T. zu stoppen. Das Bundesverfassungsgericht hatte um 8:30 Uhr telefonisch die Generalstaatsanwaltschaft Berlin über den vorliegenden Eilantrag informiert

Am 28. Juni beschloss das Bundesverfassungsgericht gegen 10:50 Uhr, die Auslieferung einstweilig nicht umzusetzen. Das höchste Gericht musste aber per E-Mail von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin erfahren, dass Maja T. bereits den ungarischen Behörden übergeben worden war. 

Die Eltern und weitere Familienangehörige von Maja T. wurden auf Nachfrage bei der JVA Dresden nicht über den Verbleib von Maja T. aufgeklärt und erfuhren von der Auslieferung aus der Tagesschau.

Auch die Zustimmung des Kammergerichts Berlin zur Auslieferung ist zu kritisieren: Denn laut Artikel 16 Absatz 2 GG darf „Kein Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.“ Zuvor hatte das Kammergericht Berlin durchaus Bedenken aufgrund der queerfeindlichen Politik der ungarischen Regierung geäußert.

Die Hinweise der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, es sei nicht ersichtlich, „dass es in dem ungarischen Verfahren zu staatlichen Eingriffen in die richterliche Unabhängigkeit und dadurch zu einer Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren komme“ und die Zusicherung „menschenrechtskonformer Haftbedingungen“ durch die ungarischen Behörden sind mit Blick auf die fehlende Unabhängigkeit der ungarischen Justiz nicht nachvollziehbar und wenig glaubhaft. 

Der Italienische Staat hatte aus Besorgnis um ihre Staatsbürger*in Gabriele M. zurecht einer Auslieferung nach Ungarn nicht zugestimmt.

„Selbst die italienischen Faschisten liefern keine Antifaschist*innen nach Ungarn aus. Dass hingegen ausgerechnet deutsche Behörden den eigenen Staatsbürger*innen keinerlei Schutz bieten wollen und in aller Schnelle agieren, um eine Antifaschist*in in einen Unrechtsstaat loszuwerden, zeigt eine beängstigende autoritäre Entwicklung nach rechts, der entschieden entgegen getreten werden muss.“ 

kommentiert Britta Rabe vom Grundrechtekomitee.

 

Mit der übereilten Auslieferung sollte offensichtlich einer zu erwartenden Verfassungsbeschwerde vorgegriffen, Fakten geschaffen, und der Druck auf die weiteren Beschuldigten erhöht werden, sich zu stellen und Geständnisse abzulegen.

Wir fordern:

  • die sofortige Rückkehr von Maja T. nach Deutschland
  • die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards und die Wahrung der grundlegenden Freiheits- und Verfahrensrechte der Betroffenen.
  • die vollständige Aufklärung der Abläufe um die Auslieferung durch die Generalstaatsanwaltschaft Berlin und SoKo LinX
  • rechtliche Konsequenzen für den Alleingang von Generalstaatsanwaltschaft Berlin und SoKo LinX