Demonstrationsbeobachtung am 30. April und 1. Mai in Berlin

Die Polizei bedrängt und überwacht die Demonstrationen, insbesondere die „revolutionäre 1. Mai Demonstration“ unverhältnismäßig“, wie Jan Wörlein ausführt. „Die Demonstrationen, die nur wenig polizeilich eingeschränkt werden und der ihre Ausdruckmöglichkeiten gelassen werden, verlaufen jedoch friedlich.“

Die Demobeobachtungsgruppe Berlin des Komitees für Grundrechte und Demokratie hat in Zusammenarbeit mit den Kritischen Jurist_innen und den Kritischen Referendar_innen mit jeweils 12 Beobachter_innen am 30. April und am 1. Mai 2011 eine Reihe von Versammlungen in Berlin begleitet.

Das 1980 gegründete Komitee ist eine Bürger- und Menschenrechtsorganisation, die seit vielen Jahren zum Schutz des Rechts auf Versammlungsfreiheit Demonstrationsbeobachtungen durchführt. Die Berliner Gruppe existiert seit 2010.

Die Beobachtung konzentriert sich dabei auf die Demonstrationen „Wir bleiben alle“ am 30. April, auf die Spontandemonstration ab 16.30 Uhr am 1. Mai sowie die „revolutionäre 1. Mai-Demonstration“ ab 18.00 Uhr. Jedoch auch Veranstaltungen im Umfeld der Demonstrationen  wurden in die Beobachtung einbezogen.

Insbesondere die Demonstration am 30. April und die spontane Demonstration über das Myfest am 1. Mai haben verdeutlicht, dass eine Demonstration, die nur wenig polizeilich bedrängt wird und der ihre Ausdrucksmöglichkeiten gelassen werden, friedlich verlaufen kann.

Bei allen Versammlungen haben allerdings zum Teil scharfe Einlasskontrollen stattgefunden. Weiterhin wurde anlassunabhängig und auf ostentative Weise Demonstrationsteilnehmer_innen gefilmt. Hervorzuheben ist hier die Haupteinlasskontrolle zur „revolutionären 1. Mai-Demonstration“ auf der Kottbusser Brücke bei der mit zwei Kamerawagen alle Teilnehmer_innnen gefilmt wurden, ohne dass eine konkrete Gefahr ersichtlich war. Trotz eindeutiger Kamerabewegungen und offensichtlich eingeschalteter Bildschirme leugneten die beteiligten Beamten, dass die Kameras aktiviert waren. Auch im weiteren Verlauf und von Dächern entlang der Demonstrationsroute wurde der Demonstrationszug ohne erkennbaren Grund deutlich sichtbar mit Kameras überwacht.

Des Weiteren waren die auf allen Versammlungen eingesetzten Polizisten nur ungenügend oder gar nicht gekennzeichnet. Vor allem Hundertschaften der Bundespolizei sowie Einheiten der Landespolizeien aus anderen Bundesländern verfügen oft nicht einmal über Zug- oder Gruppenkennzeichnungen. Individuelle Kennzeichnungen waren gänzlich nicht vorhanden.

Während der Spontandemonstration über das Myfest am 1. Mai wurde darüber hinaus eine Polizeitaktik eingesetzt, die wir mit Sorge beobachten: Eine größere Gruppe von sicherlich über 50 Zivilpolizisten begleiteten den Demonstrationszug als dichtes Spalier. Die Beamten waren lediglich durch einen Ohrknopf erkennbar und trugen ansonsten ähnliche Kleidung wie die Demonstrationsteilnehmer_innen. Bedenklich ist dabei vor allem, dass durch diese Vorgehensweise keine Trennung zwischen Demonstrationszug und Ordnungskräften mehr möglich war. Nach § 12 des Versammlungsgesetztes müssen jedoch Polizeibeamte in einer öffentlichen Versammlung kenntlich sein. Gleichzeitig wurde dadurch der Zugang zum Demonstrationszug unnötig erschwert. 

Die revolutionäre 1. Mai-Demonstration verlief anfangs ohne größere Probleme. Entgegen der bisherigen Erfahrungen wurde die Demonstration nicht eng begleitet, sondern die Teilnehmer_innen konnten sich trotz großer und sichtbarer Polizeipräsenz zunächst ungehindert auf dem vorgesehenen Weg bewegen. Nachdem ein Kamerawagen direkt an der Demo postiert wurde, kam es dann jedoch an der Ecke Werbellinstraße und Karl-Marx-Straße zu Flaschen- und Steinwürfen. In der Folge kesselte die Polizei den Demonstrationszug von drei Seiten ein und drang mit Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten zwecks Festnahmen unverhältnismäßig und gewalttätig in die Versammlung ein. Es erfolgten mehrfach Schlagstock- und Pfeffersprayeinsätze. Da trotz fortlaufender Verhandlungen zwischen Versammlungsleitung und Kontaktbeamten durch Polizeikräfte immer wieder in die Demonstration eingegriffen wurde, sah sich der Versammlungsleiter schließlich gezwungen die Versammlung auf der Höhe Flughafenstraße und Karl-Marx-Straße zu beenden. Der vorgesehene und angemeldete Verlauf der Demonstration wurde damit durch die polizeiliche Einsatzleitung verhindert und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt.

Außerdem wurden die Teilnehmer_innen über die Beendigung der Versammlung nur ungenügend, spät oder gar nicht  informiert, so dass der Demonstrationszug weiter die Karl-Marx-Straße in Richtung bekannter Demonstrationsroute zog. Am Herrmannplatz wurde die Demonstration durch Polizeiketten gestoppt und durch erneute brutale Festnahmen entstand eine äußerst unübersichtliche Lage. In Panik rannten viele Teilnehmer_innen die Karl-Marx-Straße zurück, nur um wiederum durch eine zweite Polizeikette aufgehalten zu werden. Unnötigerweise wurde hier eine sehr gefährliche Situation geschaffen. Mit dem anschließend nur sehr langsam erfolgten Abfließen der Teilnehmer_innen durch die Polizeikette wurde letztendlich auch eine schnelle Auflösung der Versammlung und Entschärfung der Situation verhindert.

Demonstrationsbeobachtungsgruppe Berlin des

 

Komitees für Grundrechte und Demokratie

c/o Jan Wörlein

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