Der Prozess gegen Faruk Ereren ist noch nicht zu Ende


Am 29.11.2012 hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe – 3 StR 1/08 – der Revision des Angeklagten Faruk Ereren stattgegeben und das Urteil vom 27.9.2011 des Oberlandesgerichtes Düsseldorf – II – 2 Sts 1/08 – aufgehoben.


Faruk Ereren war am 27.9.2011 vom OLG in Düsseldorf nach über 90 Verhandlungstagen in einem skandalösen Urteil wegen angeblichen Mordes an zwei Menschen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden.

 

Friedhelm Schneiders hat den Prozess für das Grundrechtekomitee beobachtet und berichtet darüber.

In dem Urteil wurden die Merkmale der Heimtücke und des Handelns aus niedrigen Beweggründen als verwirklicht angesehen. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß Faruk Ereren Ende März 1993 von Deutschland aus als Mitglied der türkisch marxistisch-leninistischen Organisation „Devrimici Sol“ einen nachgeordneten Kader in der Türkei angewiesen habe, in einem bestimmten zeitlichen Rahmen einen Anschlag zu planen, vorzubereiten und durchzuführen. Am 1. April 1993 wurden bei einem Anschlag zwei vor einer Bankfiliale stationierte Polizisten erschossen.

Faruk Ereren bestritt, zu dem Zeitpunkt in Deutschland gewesen zu sein und Mitglied der Organisation zu sein. Er machte aber kein Hehl aus seiner marxistisch-leninistischen Einstellung, für die er in jungen Jahren in türkischen Gefängnissen gefoltert worden war. Seidem ist seine Gesundheit angegriffen, und er leidet unter einer Art Verfolgungswahn, der medikamentös behandelt wird.


Angefangen hatte der Prozess gegen ihn im Jahr 2009, nachdem er im April 2007 in Nordrhein -Westfalen verhaftet worden war. Zu Beginn lautete die Anklage u.a. auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. An den Verhandlungstagen saß Faruk Ereren deshalb isoliert in einem Glaskasten. Viele Verhandlungstage waren damit ausgefüllt, dass Vertreter von BKA und LKA aus Unterlagen, die bei Razzien in ihre Hände gefallen waren, den Aufbau der Organisation in Europa mit ihren Aufgaben, Pflichten und Hierarchien erläuterten. Aber nie konnte ein Zusammenhang mit Faruk Ereren hergestellt, bzw. ein Nachweis über Tätigkeiten von ihm vorgelegt werden. Auch die Befragung zahlreicher türkischer Zeugen, die zum Teil schon wegen des §129b verurteilt waren, ergaben keine Hinweise auf Faruk Ereren.


Auch in Istanbul wurden im Rahmen von Rechtshilfe Zeugen vernommen, so auch am 16.2.2010.

Der erbetene Zeuge erschien nicht. Stattdessen schlug die türkische Justiz vor, am nächsten Tag einen Zeugen zu liefern, der Faruk Ereren kennen würde. Die Vernehmung fand tatsächlich am 17.2.2010 statt. Der Zeuge lebte auf Grund des Reuegesetzes im Zeugenschutz. Er hatte sich in seinem eigenen Verfahren vor einem Türkischen Gericht kooperativ gezeigt und war vorzeitig aus der Haft  entlassen worden. Dieser Zeuge gab an, Ende März in Istanbul mitbekommen zu haben, wie Faruk Ereren telefonisch aus Deutschland die Anweisung zu dem Anschlag am 1.4.1993 gegeben habe. Eine ausführliche Befragung des Zeugen war für die Verteidigung aus Zeitgründen nicht möglich. Zurück in Deutschland sprach die Verteidigung sofort von einem geglückten Überrumpelungsversuch der türkischen Behörden und warfen dem Senat vor, statt stehenden Fußes abzureisen, als der avisierte Zeuge nicht erschien, habe man mitgenommen, was man kriegen konnte, ohne die Aussagen kritisch zu hinterfragen.


Fortan saß Faruk Ereren nicht mehr in seinem Glaskasten, sondern mitten unter seinen Verteidigern. Auf Grund dieser einzigen, dazu noch sehr windigen Zeugenaussage wurde er nun des zweifachen Mordes angeklagt, die die Bundesanwaltschaft noch mit Heimtücke und niedrigen Beweggründen ausstaffierte. Alle Versuche der Verteidigung, in den verbleibenden Verhandlungstagen bis zur Urteilsverkündigung Entlastungszeugen beizubringen, die bezeugen konnten, dass Faruk Ereren zu der Zeit in Istanbul war, wurden von der Bundesanwaltschaft genauso abgelehnt wie entlastende Schriftstücke. Entweder wären sie nicht eindeutig genug oder Gefälligkeitsaussagen usw. Natürlich wurden diese Ablehnungen vom Senat ausnahmslos als Beschlüsse verkündet. Natürlich weigerte sich der Belastungszeuge auch, nach Deutschland zu kommen, um sich einer ausführlichen Befragung durch die Verteidigung zu unterziehen. Er habe alles gesagt, was er wisse. Auch der Senat verlangte nicht nach weiterer Aufklärung, sondern schien froh über diese einzige belastende Aussage zu sein. So kam es dann zu dem eingangs zitierten Urteilsspruch vom 27.9.2011.


Umso erfreulicher ist es, saß der BGH der Revision stattgegeben und das Urteil aufgehoben hat. Ein Skandal ist aber dadurch noch nicht ausgeräumt: Faruk Ereren ist jetzt bereits sechs Jahre ohne Unterbrechung  in Haft, und das seit neuestem ohne Urteil. Schon während der überlangen Verhandlung hatte die Verteidigung mehrfach Anträge auf Haftentlassung gestellt, die alle abgelehnt wurden. Nach der Urteilsaufhebung ist der bisher letzte Antrag auf Haftentlassung gestellt worden, der inzwischen abgelehnt wurde. Ab dem 6. Mai 2013 wird sich nun ein anderer Senat des OLG Düsseldorf nach Einlesen in die umfangreiche Aktenlage wieder mit dem Fall beschäftigen.

 

Friedhelm Schneiders


Friedhelm Schneiders ist Fördermitglied des Komitees für Grundrechte und Demokratie und beobachtet den Prozess gegen Faruk Ereren.