Die elektronische Gesundheitskarte - Baustein der Ökonomisierung des Gesundheitswesens

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Die e-Card „marschiert“. Auf Bundesebene treiben Gesundheitsminister,  Krankenkassen, Ärztekammern, Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenhausgesellschaft, Apothekenverein und Telematikindustrie das Projekt unter Hochdruck voran. Sekundiert werden sie durch die Regierungsparteien, durch SPD und – erstaunlicherweise – die Grünen und durch  die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern. Als Gegner bleiben die Linke, die Piraten und ein buntes Völkchen vom Komitee für Grundrechte und Demokratie bis zur „Aktion Stoppt die e-Card“: aktive ÄrztInnen, BürgerrechtlerInnen, InformatikerInnen, WissenschaftlerInnen, PatientenvertreterInnen und VerbraucherschützerInnen. Haben sie noch eine Chance, das Projekt zu stoppen?

 

 

Aller Anschein scheint dagegen zu sprechen. Ein Großteil der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten hat die Installationen zum Lesen der e-Card und zur Online-Verbindung ihrer Praxissoftware mit den Kassen akzeptiert. Die Kaufprämien von wenigen hundert Euro mögen die Entscheidung erleichtert haben. Die Kassen verkünden, ihre Versicherten hätten – soweit darum gebeten – brav ihre Fotos eingeschickt. Ihnen ist erzählt worden, die neuen Karten seien sicherer, verhinderten Missbrauch und ersparten den Kassen Verwaltungskosten. Viel mehr hat man ihnen noch nicht verraten. Aber das „dicke Ende“ wird noch kommen: die eigentlich angestrebten Nutzungen der e-Card. Auch dann gibt es noch die Chance für kritische Ärzte und ihre Patienten, ihre Mitwirkung zu verweigern.

 

Der elektronische Notfalldatensatz, eigentlich eine Behandlungsdokumentation in Kurzfassung, die zentral gespeicherte Patientenakte und andere „Mehrwertdienste“ sollen die immensen Kosten wieder hereinspielen. Allerdings müssen spätestens dann Ärzte und Patienten mitspielen. Auf die Ärzte wird ein erheblicher Arbeits- und Zeitaufwand, auf die Patienten ein lästiger Entscheidungsdruck zukommen. Aber: nach – noch? – geltender Rechtslage können sie nein sagen.

Und das wird ihnen nicht leicht gemacht werden. Elektronisch gespeicherte und zentral verfügbare Krankheitsdaten sind wichtige Bausteine für die Ökonomisierung des Gesundheitsbereichs, für daran orientierte Forschungsvorhaben und letztlich für die Überwachung des Lebensstils der Patienten. Deren Mitwirkung (compliance) ist selbstverständlich hoch erwünscht. Die Lektüre von „Digitalisierte Patienten – verkaufte Krankheiten“, herausgegeben vom Komitee für Grundrechte und Demokratie in 2011, kann zur Herausbildung eines widerständigen Bewusstseins weiter empfohlen werden.

 

 

Wolfgang Linder (AG Gesundheit)

 

Keine eGK – keine Fotos, keine zentral gespeicherten Daten!

 

Aus den von Wolfgang Linder erläuterten Gründen fordern wir noch immer auf, den Krankenkassen schon jetzt den Protest gegen die elektronische Gesundheitskarte zu verstehen zu geben. Schicken Sie keine Fotos und fordern Sie, die alte Karte behalten zu können! Manche Kassen sind darauf eingegangen, haben noch einmal die alte Karte zugeschickt oder haben mitgeteilt: „Sie können sich weigern, ein Passbild einzuschicken. Bitte beachten Sie dabei, dass Sie dann keine elektronische Gesundheitskarte erhalten. Sie können dann bei Arztbesuchen Ihre alte Versichertenkarte nutzen.“ Die alten Karten können auf jeden Fall weiterhin eingelesen werden.

Und wer dann doch die neue Karte bekommen hat, der oder die sollte jede Speicherung von Daten auf zentralen Rechnern verweigern.

 

Elke Steven

 

 

Schutz der Patientendaten wird sukzessive ausgehöhlt

 

 

 

Die aktuelle Diskussion um eine neue Organspende-Gesetzgebung macht mal wieder deutlich, wie schnell sich die Zugriffsmöglichkeiten auf die eGK ändern können sollen. Nun sollen auch die Krankenkassen das Recht erhalten, die Information über die Organentnahme-Erklärung auf die neue Karte zu schreiben. Ein gesondertes elektronisches Fach soll eingerichtet werden. Der zunächst tobende Bundesdatenschutzbeauftragte (taz vom 29.2.2012)  ist leider schon wieder beruhigt, weil die Patienten nun erst zustimmen müssen.

„Wer Muße hat zu lesen und es gerne genauer wissen will …“

Oliver Tolmein verweist in diesem Kontext in seinem FAZ-Blog auf die Seiten des Grundrechtekomitees und auf unser Buch „Digitalisierte Patienten – verkaufte Krankheiten“ (2. März 2012).

Über all die Probleme und Fragen zur Transplantation wäre ebenfalls öffentlich zu streiten.

 

 

Elke Steven