06. Dez. 2006
Antimilitarismus / Bundeswehr

Die Staatsanwaltschaft verfolgt die Falschen

Eine Antimilitaristin aus Köln wurde wegen "Verunglimpfung des Staates" angeklagt. Sie hatte am Protest gegen das alljährliche Treffen der Gebirgsjäger in Mittenwald teilgenommen.

Eine Antimilitaristin aus Köln muss sich Montag, 11. Dezember 2006, vor dem Landgericht München II verteidigen. Der Prozess findet um 10.45 Uhr im Sitzungssaal B 264 (Nymphenburger Str. 16) statt. Sie wurde wegen Verunglimpfung des Staates angeklagt.

Pfingsten 2005 hatten Antimilitaristen gegen das alljährliche Treffen der Gebirgsjäger in Mittenwald protestiert. Seit 1952 trifft sich der Kameradenkreis Gebirgstruppe, der sich aus Veteranen der Wehrmacht und SS, aus Reservisten und Aktiven der Bundeswehr zusammensetzt. Edmund Stoiber hat dieses Treffen einmal als „unangreifbare Traditionspflege“ bezeichnet. Die verdrehende Erinnerung an die kriegerischen Heldentaten wird gepflegt während die Verbrechen der Wehrmacht, die aus diesem Kreis begangen wurden, verharmlost und geleugnet werden. Gebirgsjäger haben während des Zweiten Weltkriegs in ganz Europa Kriegsverbrechen verübt. An den Totenschändungen in Afghanistan waren auch jetzt wieder Bundeswehrsoldaten der Mittenwalder Gebirgsjäger beteiligt.

Noch vor kurzem hat die Staatsanwaltschaft München I ein Verfahren gegen einen damaligen Gewehrschützen eingestellt, der 1943 an der Ermordung von ca. 4.000 italienischen Soldaten auf der griechischen Insel Kephallonia beteiligt war. Begründet wird dies damit, dass der Gehorsam gegenüber einem (wenn auch verbrecherischen) Befehl nicht in höchstem Maße verächtlich sei und diese Morde nicht aus niederen Beweggründen geschehen seien.

Nun muss sich also die Antimilitaristin verteidigen, weil sie die nächtlichen Eingriffe der Polizei gegen eine friedliche Versammlung mit dem Ruf „BRD Bullenstaat - wir haben dich zum Kotzen satt“ beantwortet haben soll. Das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen verurteilte sie zu 40 Tagessätzen Geldstrafe. Die Staatsanwaltschaft ging in Berufung, da ihr das Strafmaß nicht genügte.

Vom Komitee für Grundrechte und Demokratie beobachteten wir damals die Proteste der KritikerInnen des alljährlichen Gebirgsjägertreffens. Zum Abschluss stellten wir in unserer Presseinformation fest, dass insgesamt „ein vordemokratisch-autoritäres Grundrechtsverständnis“ seitens Polizei und Politik in Bayern deutlich wurde. „Versammlungen wurden grundsätzlich als potentielle Gefährdungen aufgefasst, die es präventiv polizeilich zu kontrollieren, zu überwachen und einzuschüchtern gelte.“ Wir konstatierten, dass wir angesichts des „autoritären Auftretens der Polizei“ die Reaktionen der Protestierenden fast mit Erstaunen beobachtet hätten. Sie verhielten sich „durchweg äußerst gelassen und humorvoll-verwundert“ angesichts der Zumutungen und Übergriffe.