10. Nov. 2011

Gebühren für Grundrechte? Residenzpflicht

Komi E., politischer Aktivist, hatte im Jahr 2007 gegen die Entrichtung einer Gebühr von 10,- € geklagt, die der Landkreis Saale für die Erteilung einer „Verlassenserlaubnis“ nach dem Aufenthaltsgesetz erhoben hatte. Das Verwaltungsgericht Halle hatte am 26. Februar 2010 formal entschieden, dass diese Gebühr zu Unrecht erhoben wurde. Dagegen ist der Landkreis in Berufung gezogen. Am 26. Oktober 2011 fand vor dem Oberverwaltungsgericht in Magdeburg die Berufungsverhandlung statt.

„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit …“  (Art. 2.1 GG)

„Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ (Art. 2.2 GG)

Bis zum März 2011 galt in Sachsen-Anhalt wie in anderen Bundesländern noch heute: Asylsuchende und „geduldete“ Flüchtlinge dürfen aus ordnungspolitischen Gründen den Bezirk der Ausländerbehörde nur mit besonderer Erlaubnis verlassen. Zusätzlich wird von einigen Ausländerbehörden eine Verwaltungsgebühr dafür verlangt, dass eine „Verlassenserlaubnis“ erteilt wird. Eine Zuwiderhandlung gegen die Aufenthaltsbeschränkung kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Im Wiederholungsfall kann ein solcher Verstoß mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr belegt werden.

Inzwischen hat das Land Sachsen-Anhalt die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für Asylsuchende und lediglich „geduldete“ Flüchtlinge aufgehoben. Sie dürfen sich im gesamten sächsisch-anhaltinischen Land so „frei“ bewegen, wie es die gesellschaftlichen Bedingungen erlauben, unter denen sie, systematisch diskriminiert im Namen des Rechts (z.B. durch das Asylbewerberleistungsgesetz), zu leben gezwungen sind.

Die Aufweichung der „Residenzpflicht“ in einigen Bundesländern kann, so erfreulich sie für Einzelne auch ist, eine bundesweite Regelung zur Aufhebung der mit der Menschenwürde unvereinbaren Aufenthaltsbeschränkungen nicht ersetzen. Denn der ausländergesetzlich verordnete „Gebietsarrest“ wird lediglich auf die jeweiligen Landesgrenzen erweitert, ohne seine diskriminierenden Begleiterscheinungen zu beseitigen, wie z. B. Polizeikon-trollen von Migrantinnen und Mi-granten ohne jeden Anlass.

Die gesetzlichen Aufenthaltsbeschränkungen behindern Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit und in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit massiv.

Das Oberverwaltungsgericht hat nun das Ansinnen des Landkreises Saale erneut abgewiesen und der anmaßenden Gebührenpraxis einen rechtlichen Riegel vorgeschoben. Es bleibt zu hoffen, dass der „Gebührenstreit“ nun bundesweit abgeschlossen werden kann.  

Gebühren allein dafür zu erheben, dass Grund- und Menschenrechte in Anspruch genommen werden können, offenbart die ganze ausländerbehördliche Anmaßung, Menschenwürde und Menschenrechte missachten zu können. Der eigentliche Skandal, die freiheitsbeschränkende Menschenverwaltung der Ausländerbehörden, bleibt gleichwohl unangetastet. Wie lange noch?

Alle staatliche Gewalt sei verpflichtet, die Würde des Menschen zu schützen, heißt es im Grundgesetz Artikel 1, ein „Gebietsarrest“ – und sei er landesweit – ist damit nicht zu vereinbaren. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie wird gemeinsam mit der Internationalen Liga für Menschenrechte weiterhin gegen dieses Sondergesetz aktiv werden.