20. Aug. 2021
Nationalismus & Neue Rechte / Rechtsstaatlichkeit / Verfassung

Gemeinnützige Vereine unter Druck. Wie die AfD versucht, die kritische Zivilgesellschaft zum Verstummen zu bringen

Eine der vielfältigen demokratie-zersetzenden Strategien der AfD besteht darin, Vereine, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus engagieren, auszuforschen und finanziell unter Druck zu setzen. Diese Vereine stellen ein zivilgesellschaftliches Rückgrat gegen die menschenfeindliche Politik der AfD dar. Sie leisten wichtige Aufklärungsarbeit gegen Rechtsextremismus und unterstützen Betroffene rechter Gewalt. Sie schwächen somit das rechte Hegemonieprojekt der AfD und ihrer Verbündeten.

Das Ziel der AfD ist es daher, die Arbeit derartiger Vereine zu verhindern, indem sie sie in der Öffentlichkeit diskreditieren und ihnen die finanziellen Mittel aus öffentlicher Förderung entziehen. Dazu nutzen sie parlamentarische Mittel, wie kleine Anfragen, aber auch exzessive Klagewellen. Bundesweit sind viele Vereine von diesen Einschüchterungsmethoden betroffen, beispielsweise Miteinander e.V. in Magdeburg/ Sachsen-Anhalt oder Treibhaus e.V. im sächsischen Döbeln. Ein aktueller Fall betrifft Fulda stellt sich Quer e.V., mit dessen Vorsitzenden Andreas Goerke wir ein Interview führten:

 

Der Verein „Fulda stellt sich quer“ sieht sich aktuell mehreren Klagen durch die AfD in Fulda ausgesetzt. Wie geht die Partei konkret gegen euch vor und was war der Auslöser?

Seit knapp 5 Jahren überzieht die AfD uns mit Unterlassungsklagen und Abmahnungen. Dafür gibt es viele Gründe. Wir haben die Identitäre Bewegung in Hessen, insbesondere ihre Funktionäre aus dem Landkreis Fulda, geoutet und die personellen Überschneidungen von Identitärer Bewegung und der AfD enttarnt. Weiter haben wir 2016 eine AfDVeranstaltung mit Björn Höcke verhindert. Wir haben außerdem den ehemaligen Kreisvorsitzenden und weitere Mitglieder der AfD beim Austritt aus der AfD begleitet, ihnen dabei Pressebegleitung organisiert und sie anderweitig unterstützt.

Wir konnten außerdem erreichen, dass der Fraktionsvorsitzende der AfD aus dem Technischen Hilfswerk (THW) entlassen wurde. Unsere Arbeit war auch im Kommunalwahlkampf wichtig: In Fulda wurden über 15.000 Zeitungen verteilt und rund 500 Plakate aufgehängt, die über die AfD aufklärten. Gegen die Veranstaltungen der AfD bei der Landtags- und Kommunalwahl wurde stets drinnen und draußen protestiert. Im Raum Fulda schlossen sie dann mit einem aus ihrer Sicht sehr schlechten Ergebnis ab.

 

Wird auch eure Gemeinnützigkeit angegriffen?

Ja. Beim Finanzamt Fulda liegen über 30, zum Teil anonyme, Anzeigen gegen unseren Verein „Fulda stellt sich quer“ vor. Die Vorwürfe reichen von Steuerhinterziehung bis hin zur Unterstützung krimineller Vereinigungen.

 

Was sind die negativen Folgen dieser Klagewelle für euch und was droht schlimmstenfalls?

Wir sind einer der wenigen Vereine, die ein eigenes Zentrum haben: Dieses finanzieren wir selbst durch Flohmärkte, Spenden, Kaffee- und Kuchenverkauf. Das Zentrum ist in Fulda und Osthessen für viele Menschen eine wichtige lokale Anlaufstelle. Bislang können wir das Zentrum halten, sollten aber weitere Klagen etc. auf uns zukommen, steht es vor dem Aus. Knapp 100 m2 Freiraum in Fulda würden dann verschwinden. Unsere aktive Arbeit leidet unter dieser Klagewelle, da wir uns zur Zeit vor allem mit Abwehrkämpfen beschäftigen. In den sechs Jahren unseres Vereinslebens haben wir knapp 18.000 Euro für Anwält* innen zur Abwehr von Klagen ausgegeben. Das schlimmste Szenario wäre die Auflösung des Vereins. Aber das werden wir nicht zulassen.

 

Wie geht ihr mit der Bedrohung um und was braucht ihr zur Unterstützung?

Bedrohungen geschehen ja nicht nur auf dem Klageweg, unser Zentrum wurde angegriffen und ich persönlich bin bereits Opfer rechter Gewalt gewesen. Wir können vor allem finanzielle Unterstützung zum Erhalt des Vereins gebrauchen. Wenn es so weiter geht, sind wir ab August im finanziellen Minus und müssen dieses Loch stopfen. Ist für Vereine nun generell mehr Vorsicht geboten? Die AfD und andere rechte Organisationen z.B. die NPD und die Partei der III. Weg wollen mit Klagen einschüchtern und handlungsunfähig machen. Unsere gegenseitige Solidarität aber stärkt uns als Vereine und Organisationen. Deshalb ist unsere stärkste Waffe im Kampf gegen Rechtsextremismus die gelebte Solidarität.


Wie ist die Resonanz auf die öffentliche Auseinandersetzung mit der AfD?

Wir erleben eine Welle der Solidarität, unser Fall wird breit diskutiert, unter anderem von Bundestagsabgeordneten. Diese Diskussionen sind wichtig – denn heute trifft es „Fulda stellt sich Quer“ und morgen einen anderen Verein. Deshalb ist wichtig, dass jetzt diskutiert wird und jetzt Lösungen gefunden werden.