18. Mai 2025 © © Michèle Winkler
Demokratie / Gefangenenunterstützung / Nationalismus & Neue Rechte / Neoliberalismus/Kapitalismus / Recht auf Asyl / Rechtsstaatlichkeit / Strafrecht

Gemeinsam gegen Antifaschismus? Mangelnde Rechtsstaatlichkeit für die Beschuldigten im Budapest-Verfahren

Am 19. April 2025 spielte in Köln vor den Mauern der JVA Ossendorf ein Orchester. Die jungen Musiker*innen traten in Solidarität mit ihrem Freund Zaid auf, der sich dort in Auslieferungshaft befand. Inzwischen erhielt Zaid Haftverschonung und ist seit dem 2. Mai derzeit nicht inhaftiert.  Aber wie zuvor Maja T. droht Zaid A. die Auslieferung nach Ungarn. 

Zaid und weitere sieben Antifaschist*innen hatten sich Anfang 2025 freiwillig den Strafverfolgungsbehörden gestellt. Ihnen allen, sowie weiteren Personen, wird vorgeworfen, im Februar 2023 in Budapest Teilnehmer*innen eines großen europäischen Neonazi-Treffens angegriffen und verletzt zu haben.

Gegen die anderen sieben Beschuldigten, die sich zeitgleich mit Zaid gestellt hatten, wurden auf Antrag der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe inzwischen Haftbefehle erlassen – sie besitzen alle die deutsche Staatsbürgerschaft. Nur Zaid A., der einen syrischen Pass hat, droht aufgrund eines europäischen Haftbefehls aus Ungarn weiterhin die Auslieferung. Die deutschen Behörden haben bislang keinen Antrag auf Nichtauslieferung von Zaid A. gestellt. 

Nach der inzwischen vom Bundesverfassungsgericht auch im Hauptverfahren als rechtswidrig eingestuften Auslieferung von Maja T., gegen die wir als Grundrechtekomitee zusammen mit vielen anderen Organisationen protestiert hatten, wenden wir uns aktuell gegen die Auslieferung von Zaid nach Ungarn.

Der Fall von Zaid liegt aktuell bei der Generalstaatsanwaltschaft in Berlin – die schon die rechtswidrige Auslieferung von Maja verantwortet hatte. Einen von uns initiierten Offenen Brief an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin haben binnen weniger Tage über 50 Organisationen und mehr als 150 Einzelpersonen unterzeichnet. Er argumentiert mit den Gefahren, die Zaid bei einer Auslieferung in das rechtsautoritär regierte Ungarn drohen, darunter die mögliche Kettenausweisung nach Syrien. 

Anders als Deutschland haben Gerichte in Frankreich und Italien die Auslieferungsgesuche Ungarns von Beginn an verweigert. Im April hatte das Pariser Berufungsgericht in einem ähnlichen Verfahren die Auslieferung von Gino A. endgültig abgelehnt, da menschenwürdige Haftbedingungen und ein fairer Prozess in Ungarn nicht zu erwarten seien. Gino war im November 2024 in Paris festgenommen worden. 

Die Auslieferung einer weiteren beschuldigten Person lehnte ein Mailänder Gericht 2024 wegen Zweifeln an Ungarns Rechtsstaatlichkeit ab. In Ungarn sind Verfassungsgericht und Oberster Gerichtshof mit Richter*innen besetzt, die von Orbáns Partei Fidesz ernannt wurden. Das Orbán-Regime ist dabei, weitere Gerichte seiner direkten Kontrolle zu unterwerfen. Die aktuellen politischen Konstellationen in Europa und den USA verschärfen diesen autoritären Trend.

AUSLIEFERUNG ALS STÄNDIGE BEDROHUNG 

Die Auslieferung dient den deutschen Strafverfolgungsbehörden als stetes Bedrohungsszenario gegen die jungen Antifaschist*innen. Nach den Beschuldigten wurde europaweit gefahndet, ihre Fotos wurden von der Bild-Zeitung veröffentlicht. Die damals Untergetauchten boten vergebens an, sich zu stellen, falls deutsche Behörden zusagten, sie nicht auszuliefern. 

Anfang 2025 wagten die Untergetauchten schließlich einen mutigen Schritt und stellten sich am 20. Januar gleichzeitig den Behörden. Sie wurden auf diverse Gefängnisse bundesweit verteilt, Haftverschonung wurde nicht gewährt, obwohl Fluchtgefahr nach dem Auftauchen offensichtlich nicht besteht. 

Seitdem haben sich an vielen Orten Unterstützer*innenkreise gegründet, daneben kämpfen auch Eltern und Freundeskreise der Inhaftierten zusammen für rechtsstaatliche Verfahren  in Deutschland. 

Ist Ungarn hinsichtlich der dortigen Haftbedingungen und mangelnder Rechtsstaatlichkeit nicht akzeptabel, sind faire Verfahren auch hier nicht vollständig garantiert: Ein Strafverfahren im „Budapest-Komplex“ wird gegenwärtig im Hochsicherheitssaal der JVA München-Stadelheim gegen die Beschuldigte Hanna S. geführt. 

Hannas Verteidiger kritisieren, dass die massiven Sicherheitsvorkehrungen ihre Mandantin in die Nähe des Terrorismus rückten. Hanna ist neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach §129 StGB und gefährlicher Körperverletzung auch des versuchten Mordes angeklagt – eine offen politische Anklage. Die Prozessberichte enthüllen bislang wenig belastbare Beweisketten. 

Außerdem wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz Zugriff auf die Namen der Prozessbesucher*innen fordert. 

Rechtsstaatlichkeit stellt sich nicht von allein ein, es bleibt daher wichtig, den Budapest-Komplex aufmerksam zu verfolgen.

 

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