20. Apr. 2021 © dpa
Antimilitarismus / Frieden/Pazifismus / Kurdische Frage / Polizeigewalt / Repression

"Mit ihnen ist kein Frieden zu machen". Interview zu den Strafverfahren nach dem antimilitaristischen Protest gegen das BAFA

Der diesjährige Ostermarsch in Frankfurt startete in Eschborn beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) - ein Amt, das selten im  Rampenlicht der Öffentlichkeit steht. Zu Unrecht. Seit Februar 2020 ist dies anders: Im Interview schildert das Bündnis "Riseup for Solidarity" die mehrstündige Besetzung der Behörde und die daraus folgenden Konsequenzen für die Antimilitaristi:nnen.

 

Vor über einem Jahr, am 4. Februar 2020, habt ihr das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), ansässig im Frankfurter Stadtteil Eschborn, besetzt. Was wolltet ihr erreichen und gab es einen konkreten Anlass?


Wir haben mit etwa 50 Aktivist:innen das Foyer des BAFA über mehrere Stunden besetzt. Damit ist es uns gelungen, den Ablauf der Behörde, die für die Exportgenehmigungen deutscher Rüstungsgüter in alle Welt verantwortlich ist, zu stören. Das BAFA ist und bleibt eine wichtige Schaltstelle bei der profitgetriebenen Vermarktung von Waffen und Kriegstechnologie 'Made in Germany’ an autoritäre und Krieg führende Regime in aller Welt. Dem Amt kommt als Genehmigungs- und Kontrollbehörde für den Export von Rüstungsgütern eine wichtige Rolle zu. Es entscheidet in letzter Instanz, ob die Rüstungsgüter ausgeführt werden können und ist damit auch mitverantwortlich für den Einsatz von deutschen Waffen in Kriegsgebiete Seit Jahren werden über 99 % aller Anträge auf Rüstungsexporte genehmigt. Anlässe für die Protestaktion gibt es genug – so kamen 2018 bei der türkischen Militäroperation im nordsyrischen Afrin Leopard 2 Panzer von Rheinmetall zum Einsatz. Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, der bis heute ohne Folgen geblieben ist und an dem deutsche Panzer beteiligt waren.

 

Wie verlief die Besetzung?

Ein Teil der Aktivist*innen besetzen das Foyer der Behörde und andere Aktivist*innen unterstützten die Besetzung mit einer Kundgebung davor. Es wurden Redebeiträge gehalten, um auch vor Ort deutlich zu machen, warum das BAFA als staatliche Behörde Verantwortung trägt und ein Ziel antimilitaristischen Protestes sein muss. Das BAFA befindet sich in Eschborn in einem Industriegebiet und macht sich dort unscheinbar zum Mittäter*in für Krieg auf der ganzen Welt. Daher war es uns wichtig, diesen Ort - von dem soviel Gewalt, Krieg und Tod ausgeht - mit einer Aktion des zivilen Ungehorsams zu markieren. Die Behörde haben wir kurzzeitig in einen Ausnahmezustand versetzt. Die mediale Aufmerksam war groß und nach mehreren Stunden Besetzung haben wir die Aktion selbstbestimmt beendet und das Foyer verlassen.

 

Im Anschluss an die Besetzung kam es zu Übergriffen durch die Polizei auf die Protestierenden. Die Polizei Westhessen hat laut eigener Aussage ja selbst die Stelle für Amtsdelikte eingeschaltet. Was war passiert?

Nachdem wir unsere Aktion friedlich beendet hatten und uns auf dem Weg zu der S-Bahn machen wollten, vollzog die Polizei einen massiven Gewalteinsatz gegen die Aktivist:innen. An der Bahnstation kam es zu Prügelattacken und willkürlichen Festnahmen. Diese sind auch gut dokumentiert und können hier eingesehen werden. Die Angriffe standen in keinem Verhältnis zu unserer Aktion des zivilen Ungehorsams.

 

Mehrere Aktivist*innen haben im Anschluss Anzeigen erhalten, was wird ihnen vorgeworfen und was hat dies für juristische Folgen?

Mittlerweile wird ca. 30 Personen mit Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung, versuchter Gefangenenbefreiung, Widerstand, Nötigung und Rädelsführer*innenschaft gedroht, wir weisen diese Vorwürfe entschieden zurück.

Der Vorwurf des Hausfriedensbruch geht auf die Anzeige des Präsidenten der BAFA zurück – offensichtlich fühlt sich der Leiter von der Aktion so bedroht, dass er sich über diese Maßnahme erhofft, weitere Aktionen in seiner Behörde zu verhindern. Damit haben BAFA und Polizei Westhessen gezeigt, dass mit ihnen kein Frieden zu machen ist und sie jeglichen Protest klein halten und kriminalisieren wollen.

Die ersten Strafbefehle trudeln bereits ein und auch der erste Prozesstermin am 28.04. um 09.15 Uhr gegen einen Aktivisten am Amtsgericht Frankfurt steht schon. Wir lassen uns davon nicht einschüchtern und organisieren uns kollektiv gegen diese Repression, daher werden wir unseren Genossen mit einer Kundgebung vor Ort unterstützen. Unsere Antwort auf ihre Repression ist nicht Angst, sondern Solidarität. Unsere Antwort ist nicht Zweifel und Misstrauen, die sie säen wollen, sondern der feste Glaube daran, dass eine bessere und friedlichere Welt möglich ist.

 

Die Polizei Frankfurt kontrolliert aktuell häufig während und nach Demonstrationen Personen, die sie verdächtigt, an der BAFA-Besetzung beteiligt gewesen zu sein. Wie begründet sie den Verdacht und was heisst dies für die kontrollierten Personen? Wie ordnet ihr diese Kontrollen ein?

Die Frankfurter Polizei begründet ihre Kontrollen mit dem Verdacht, dass Personen eine Straftat im Rahmen der BAFA-Aktion begangen  hätten. Sie zieht Menschen willkürlich nach Demonstrationen und Kundgebungen heraus, um sie zu identifizieren und ihnen Angst einzujagen. Es ist offensichtlich eine polizeiliche Strategie der psychologischen Einschüchterung. Vor allem sind die laufenden Ermittlungsverfahren ein willkommener Vorwand, linke Demonstrationen anzugreifen, Genoss*innen herauszuziehen und unsere Strukturen auszuforschen. Bis heute ist die Polizei auf der Jagd nach Weggefährt*innen und Freund*innen von uns. Wir lassen uns jedoch nicht einschüchtern und halten weiterhin an unseren Forderungen fest: War starts here. Lets stop it here!

 

Das Interview führte Britta Rabe