04. März 2024 © picture alliance/PIC ONE, Ben Kriemann
Abolitionismus / Demokratie / Kriminologie / Polizei

#NoASOG – Eine kritische Einordnung des neuen Berliner Polizeigesetzes

Berlin hat schon wieder ein neues Polizei­gesetz. Quasi im Schnelldurchlauf wurde eine Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (kurz ASOG) noch vor Weihnachten durch den Senat gepeitscht. Bereits am 24. Dezember 2023 traten die ­Änderungen in Kraft.

Die Reform ist im Kern eine Verschärfung, die durch die drastische Ausweitung polizeilicher Be­fugnisse geprägt ist und die Handschrift einer schwarz-roten Law-and-Order-Politik trägt. Die von CDU und SPD beschlossene Überarbeitung des ASOG (für die auch die AfD stimmte), soll allerdings nur der erste Schritt sein.

Noch in dieser Legislaturperiode plant die Regierung weitere Verschärfungen. Insbesondere sollen Quellen-TKÜ, Drohnen- bzw. Videoüberwachung  und sogenannte Waffenverbotszonen eingeführt werden. Eine erste Neuerung des ASOG betrifft den Einsatz von Bodycams. Als mobiles Überwachungswerkzeug werden diese Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und sogar Ordnungsämtern zur Verfügung stehen.

Explizit wird hierbei erlaubt, in Privaträumen zu filmen – ein Umstand, der durch die Berliner Datenschutzbeauftragte scharf kritisiert wurde und aus grundrechtlicher Sicht höchst problematisch ist. Zudem wird im neuen Gesetz das Instrument der Präventivhaft verschärft, das eine Inhaftierung möglich macht, ­bevor eine Tat überhaupt begangen ­wurde.

Bei „un­mittelbar bevorstehender Be­gehung oder Fortsetzung“ einer „schwe­ren“ bzw. „­terroristischen“ Straftat, wurde die Möglichkeit der Präventivhaft von zwei auf fünf, ­respektive sieben Tage erweitert. Zusätzlich sinkt die Eingriffsschwelle bei Ordnungswidrig­keiten drastisch. Personen, die in diesem  Zusammenhang bereits in der ­ Vergangenheit „aufgefallen“ sind, können auf polizeilichen Vorschlag in ­ Präventivhaft landen; das gleich gilt beim Mitführen bestimmter ­Waffen, Werkzeuge oder sonstiger Gegen­stände.

Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass diese Verschärfung gegen die Klimabewegung zum Einsatz kommen soll. Schlussendlich werden Taser flächendeckend eingeführt. Diese sollen als Ersatz zu Schuss- bzw. Hiebwaffen eingesetzt werden dürfen. Die Klassi­fizierung von Tasern als „milderes“ Mittel im Vergleich zu Schusswaffen-, Schlagstock- oder Pfeffersprayeinsatz, entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass Taser eher zusätz­lich eingesetzt werden, somit eine weitere tödlichen Polizeiwaffe sind und zudem als Folterwerkzeug genutzt werden.

Die Einschränkung im ASOG, der zufolge die Nutzung von Tasern ausgeschlossen sein soll, wenn eine Person „dem äußeren Eindruck nach“ unter 14 Jahren alt oder schwanger ist oder eine Vorerkrankung des Herzkreislaufsystems hat, zeigt zudem, wie wenig durchdacht viele Stellen des Gesetzes sind. An äußerlichen Merkmalen zu erkennen, ob eine Person beispielsweise herzkrank ist, dürfte in vielen Fällen unmöglich sein.

Beim Einsatz von Tasern kommt es immer wieder zu Todesfällen. Erst im Januar 2024 starb in Mülheim an der Ruhr, der 26-­jährige Geflüchtete Ibrahima Barry in einer Erstaufnahmeeinrichtung, nachdem die Polizei gegen ihn zweimal einen Taser eingesetzt hatte. Nach den zahlreichen Polizeirechts­verschärfungen in anderen Bundes­ländern in den letzten Jahren, springt nun auch Berlin (verspätet) auf den Zug auf und revidiert damit die sich liberaler gebende rot-rot-grüne Vorfassung aus dem Jahr 2021 deutlich.

Das nun beschlossene Gesetz reiht sich nahtlos in eine Reihe autoritärer und rassistischer Kampagnen und ­Projekte in Berlin ein, darunter die von der Ber­liner CDU losgetretene Debatte um die Berliner Silvesternacht 2022 und die ge­plante Einzäunung des Görlitzer Parks.

Doch gegen diese Politik regt sich auch Protest. In Antwort auf die geplanten Verschärfungen, gründete sich im Okto­ber 2023 das Bündnis für ­Soziale Sicherheit – #NoASOG, um gegen die fehlgeleitete (Sicherheits-)Politik des Berliner Senats zu demonstrieren. ­Neben lokalen Initiativen und Gruppen ist auch das Grundrechtekomitee Teil dieses Bündnisses.

Klar ist, die beschlossenen Verschärfungen im neuen ASOG werden be­son­­ders gesellschaftliche Gruppen treffen, die bereits jetzt von Kriminalisierungs- und Marginalisierungsprozessen betroffen sind, wie Drogengebrauchen­de, Obdachlose oder rassifizierte Menschen. In dieser Form ist das Polizei­gesetz als klarer Rückschritt zu ver­stehen, der das vorherrschende Macht­gefüge festigt und ausbaut und zur Verschlimmerung der sozialen ­Probleme in Berlin beitragen wird.