24. Apr. 2024
(Anti-)Rassismus / Armut / Demokratie / Flucht / Lager / Praxis & Aktion / Recht auf Asyl / Soziale Menschenrechte

Offener Brief Kölner Kampagne „Selbstbestimmung statt Bezahlkarte“

Zur Verhinderung der Einführung der diskiminierenden Bezahlkarte in Köln haben wir ein lokales Bündnis gegründet und am 21. April den folgenden Brief an politische Verantwortliche in Köln geschickt:


Sehr geehrte Damen und Herren,

die Träger und Unterstützer*innen der Kölner Kampagne „Selbstbestimmung statt Bezahlkarte“ bitten Sie, die Einführung einer restriktiven und diskriminierenden Bezahlkarte für Geflüchtete abzulehnen.

Die Einführung einer Bezahlkarte, die für Anspruchsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nur noch die Funktion hat, Waren und Güter des täglichen Bedarfs bargeldlos zu bezahlen, deren Geltungsbereich auf Branchen und sogar Regionen beschränkt und die in der Höhe der Bargeldauszahlung begrenzt werden kann, ist ein unverhältnismäßiger und verfassungswidriger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen. 

Ihre Einführung wurde auf einem Treffen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsident*innen der Bundesländer beschlossen, einer Zusammenkunft, die in der Verfassung nicht vorgesehen ist und keinerlei Bindewirkung weder für den Bundes- noch den Landesgesetzgeber noch für die kommunale Selbstverwaltung hat. Heute hat der Bundestag eine Änderung des AsylbLG beschlossen und die Bezahlkarte in das Gesetz eingeführt. 

Der Bundesgesetzgeber hat bis heute keine verfassungsfeste Ergänzung des AsylbLG auf den Weg  bringen können, da er weiß, dass diese vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben wird. Bereits 2012 wurde das Recht jedes Menschen auf ein menschenwürdiges Existenzminimum seitens des Bundesverfassungsgerichts in einer Grundsatzentscheidung festgehalten. Damit hat die höchste Rechtsinstanz der Bundesrepublik dafür gesorgt, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zumindest vorübergehend annähernd dem Hartz-IV-Niveau (heute „Bürgergeld“) entsprachen. 

Zugleich verbot das Verfassungsgericht, die Kürzung von Sozialleistungen zur Abschreckung Asylsuchender einzusetzen: „Die in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“ (B. v. 18.7.2012 - 1 BvL 10/10). Mit anderen Worten: Sozialleistungen dürfen nicht gekürzt werden, um geflüchtete Menschen abzuschrecken und ihre Lebenslagen unzumutbar einzuschränken.


agisra e.V. Köln, AK Politik der Willkommensinitiativen, Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e. V., Bürgerzentrum Vingst - Vingster Treff, Caritasverband für die Stadt Köln e.V., Diakonisches Werk Köln und Region GmbH, Kölner Flüchtlingsrat e.V., Kölner Runder Tisch für Integration, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Migrafrica gGmbH und Rom e.V.