04. Sept. 2025 © Sebastian Rose
Abolitionismus / Antimilitarismus / Bundeswehr / Demokratie / Demonstrationsbeobachtung / Kriegsdienstverweigerung / Menschenrechte / Neoliberalismus/Kapitalismus / Polizeigewalt / Pressefreiheit / Rechtsstaatlichkeit / Repression / Strafrecht / Überwachung / Versammlungsrecht

Polizei setzt Faustrecht durch. Rede zur Pressekonferenz anlässlich der Zerschlagung der antimilitaristischen Parade durch die Polizei am 30. August in Köln

Als Komitee für Grundrechte und Demokratie haben wir damals die Einführung des Versammlungsgesetzes in NRW kritisch begleitet, seine autoritären Tendenzen deutlich kritisiert und eine Verfassungsbeschwerde dagegen eingereicht. 

Das Recht auf Versammlungsfreiheit wurde am vergangenen Samstag zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Statt dessen hat die Polizei das Faustrecht durchgesetzt.

Die Maßnahmen der Polizei waren völlig unverhältnismäßig. Die Einsatzleitung hat am Samstag ihren Ermessensspielraum nicht genutzt. Sie kann immer entscheiden, ob bei einzelnen Verstößen gegen Auflagen oder Versammlungsrecht eingegriffen werden soll. Das Recht auf Versammlungsfreiheit existiert, um Versammlungen zu schützen, nicht um ein Gesetz zu schützen.

Die antimilitaristische Parade wurde erst nicht loslaufen gelassen und dann dreimal für mindestens 30 Minuten gestoppt. Einmal hieß die Begründung, es seien einige Personen vermummt gewesen - bei 3000 Menschen. Ein anderes Mal war von angeblichen Eisenstangen die Rede, die sich vor Ort schon als metallisch glänzende PVC-Stangen für Plakate herausstellten.

Ein wieder anderes Mal wurden verknotete Transparente angeführt, die weder gegen Auflagen noch das Versammlungsgesetz verstoßen. Eine Großdemo wegen eines einzelnen Rauchtopfs oder eines Überkopftransparents gegen Krieg zu stoppen, ist völlig unverhältnismäßig.

In der Mechthildisstraße wurde die Parade ein letztes Mal gestoppt, Polizei drang mit Gewalt in den Demozug, umstellte einen Lautsprecherwagen und kesselte hunderte Menschen ein. Als Grund nannte uns der Pressesprecher der Polizei vor Ort Verstöße gegen das Versammlungsrecht. Später wird es heißen, Verbindungsbeamte seien von einer größeren Personengruppe attackiert und verletzt worden. Diese Verbindungsbeamten werden später von einem Journalisten bei guter Gesundheit angetroffen.

Ein auf YouTube verfügbares Video von der Situation der Einkesselung aus Vogelperspektive zeigt ebenfalls keinen solchen Angriff, schon gar nicht von einer größeren Personengruppe, wie die Polizei behauptet. Zu sehen ist vielmehr eine Reihe weiß behelmter Polizisten, die die Demo durchbricht und daraufhin die aggressive Erstürmung von schwarz behelmten, um sich prügelnden Einheiten unter dem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken.

Die dann folgende Durchsuchung des offen einsehbaren Pritschenwagens förderte laut Polizei Fahnen und Pyrotechnik zutage sowie Helium-Gasflaschen für Luftballons, eine Flasche Brennspiritus und Wunderkerzen. Zuvor beim Check der Wagen durch die Polizei vor der Demonstration waren die Gegenstände offenbar nicht als problematisch angesehen worden, warum jetzt?

Ab dem Moment der Einkesselung gibt es für den Anmelder drei ganze Stunden lang keinerlei Ansprechperson auf Seiten der Polizei. Die zuständige Kontaktpolizistin erklärt ihren Feierabend, bei der Polizei sei niemand mehr zuständig. Es ist 18 Uhr, die Demo hat nicht einmal den Ort der Zwischenkundgebung erreicht, geschweige denn den Zielort, die Konrad-Adenauer-Kaserne in Köln.   

Die Polizei löst gegen 20:30, also ganze 2,5 Stunden später  - ohne Rücksprache mit dem Anmelder - die Demo einfach auf. Bis auf die in der Polizeidurchsage bereits als "Straftäter" vorverurteilten Personen sollten sich auf Befehl der Polizei alle anderen Menschen entfernen. Spontane Ersatzversammlungen lässt die Polizei lange nicht zu, mit der Begründung, sie hätte die eine Versammlung ja aufgelöst.

Die Identitätsfeststellung beginnt erst um 22:30, als hunderte Menschen, darunter Minderjährige, bereits 4,5 Stunden im Kessel stehen. Lange Zeit ohne Trinkwasser und ohne dass Sanitäter*innen Zugang zu den Verletzten bekommen. Zugang zu Toiletten wird bis zum Ende nicht gewährt.

Die aus der Maßnahme Entlassenen erhalten von der Polizei Platzverweise für nicht weniger als die gesamte Stadt Köln, außer des antimilitaristischen Camps. Die Letzten kommen erst am Sonntagmorgen um 5:20 Uhr frei.


Der Polizeieinsatz am Samstag erscheint als eine selbsterfüllende Prophezeiung. Die im Vorfeld herbeigeredete Unfriedlichkeit von Camp und Demo hat die Polizei Köln sich mit ihrem Einsatz selbst bestätigt. Es ist zu erwarten, dass diese “Erkenntnis” zukünftig von anderen Innenministerien, Polizei- und Versammlungsbehörden für nächste Demos oder Camps wiederverwertet wird - unbekannt ist uns dieses Vorgehen ja nicht. 

Wir fordern die Aufarbeitung des Polizeieinsatzes und angesichts der offensichtlichen Widersprüche zwischen Polizeiversion und Demoverlauf die Einsicht in die Einsatzprotokolle.

Unser Redebeitrag auf der heutigen Pressekonferenz vor dem Polizeipräsidium Köln-Kalk, gehalten von von Britta Rabe.

Die Erklärung des Kölner Friedensforums: https://koelner-friedensforum.org/erklaerung-des-koelner-friedensforums-zum-antikriegstag-und-zur-gemeinsamen-demonstration-mit-rheinmetall-entwaffnen/
 

Weitere Redebeträge finden sich als PDF unten zum Download.

 

Unterstützt das Grundrechtekomitee!

Interessiert an unserer Arbeit?

E-Mail-Newsletter abonnieren
Rundbrief bestellen

Folgen Sie uns auf Social Media!

X / Instagram / Bluesky

Das Grundrechtekomitee ist für seine radikaldemokratische Arbeit auf Ihre Spenden angewiesen.

Spenden Sie jetzt
Werden Sie Fördermitglied