Die Diskussionen im Hessischen Landtag und die vehement vorgetragene Klage über „Gewalttäter“ nach der Demonstration von Blockupy am 22. November 2014 veranlassen uns, unsere Demonstrationsbeobachtungen und deren Bewertung nun öffentlich darzulegen. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hatte die Demonstration des Blockupy-Bündnisses in Frankfurt beobachtend begleitet.
Die Polizei hatte im Vorhinein angekündigt, sie ändere ihre Taktik. Im Gegensatz zur Verhinderung der Großdemonstration von Blockupy im Frühjahr 2013 und dem ausufernden Verbot im Jahr 2012 wolle sie diesmal deeskalieren, mehr reden, weniger draufhauen. Auf der dem Protest vorausgehenden Pressekonferenz informierte sie, sie verstünde auch das Werfen von Umzugskisten über den Zaun, das Hängen von Materialien an den Zaun, das Werfen von mit Farbe gefüllten Damenhandtaschen und das Verhängen von Videokameras als symbolische Aktionen. Letztlich hatte Blockupy ja auch angekündigt, dass die Demonstrierenden mit Umzugskartons kämen und mit „kreativen Formen des zivilen Ungehorsams über alle Zäune hinweg“ denken und handeln würden.
So konnten wir einen bunten Demonstrationszug beobachten, der sich vom Paulsplatz in Richtung Neubau der EZB in Frankfurt auf den Weg machte. Die Polizei hielt sich deutlich im Hintergrund, regelte den Verkehr und fuhr dem Demonstrationszug voraus. Als eine einzelne Bengalische Fackel entzündet wurde, wies sie zwar darauf hin, dass dies unterbleiben solle, wie sie auch um das Ablegen von Vermummungsgegenständen bat, griff jedoch nicht ein. Spätestens dann begann sie auch die Versammlung zu filmen. Ein friedlicher und ausdrucksstarker Demonstrationszug konnte durch die Stadt ziehen. Die „Zurückhaltung“ der Polizei war nicht nur angemessen, sondern grundrechtlich geboten.
Als der Demonstrationszug vor dem Gebäude der EZB ankam, fiel uns vor allem auf, dass das Einfahrtstor zum Gebäude der EZB offen dalag und nicht polizeilich geschützt wurde. Wenige Polizeibeamte standen erst in einiger Entfernung vom Tor vor einem Bauzaun. Alle Beschreibungen, die Demonstrierenden hätten eine Polizeikette angegriffen, diese überwunden oder ähnliches, stimmen nicht für den Beginn des Vordringens in das Gelände der EZB. Die Demonstrierenden konnten zunächst mit Leichtigkeit über das Tor klettern und zum eigentlichen Eingang der EZB laufen. Erst danach und neben dem breiten Tor wurde auch ein Bauzaun umgelegt. Sowohl dort als auch bei den Einheiten, die später am Einfahrtstor in die Menge der Demonstrierenden vordringen wollten, kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen, bei denen die Polizei Pfefferspray einsetzte und einzelne Demonstrierende Farbeier warfen. Konsequent wäre es gewesen, hätte die Polizei auch an dieser Stelle das Prinzip der Verhältnismäßigkeit angewendet. Die ca. einhundert Demonstrierenden liefen zum Eingang der EZB, entrollten dort ihre Transparente und bewarfen das Gebäude mit Farbeiern. Nach ca. 20 Minuten verließen sie das Gelände, den Zaun an einer anderen Stelle, ohne Beschädigungen, überkletternd.
Die Farbe bestand aus nichts als Kreide, wie sich später herausstellte und von der Polizei bestätigt wurde. Sie konnte leicht von der Glasfassade entfernt werden. Schon am 23. November 2014 hatte Hanning Voigts in der Frankfurter Rundschau mit Recht geschrieben: „Es war abzusehen, dass die radikaleren Blockupy-Aktivisten versuchen würden, vor die EZB zu gelangen und dort ihre Farbeier zu werfen. Und es ist richtig, dass die Polizei sie nicht unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Gewalt daran gehindert hat. Man muss solche Sachbeschädigungen mit Farbe keinesfalls gutheißen. Aber eines ist klar: Sie sind allemal leichter zu verkraften als die ganzen Verletzungen und die Wut, die der Kessel 2013 ausgelöst hat.“
Unverhältnismäßig ist es, nun im Nachhinein diejenigen, die vor die Tür der EZB zogen, medial zu Gewalttätern zu machen. Die weitgehende Zurückhaltung während der Demonstration lud ja geradezu dazu ein, den eigenen Vorstellungen von einem Protest „über alle Zäune hinweg“ zu folgen.