(Rechts-)Populismus? Vorsicht Falle

Quer durch Europa verzeichnen derzeit Parteien und Bewegungen Erfolge, die gemeinhin als «rechtspopulistisch» bezeichnet werden. Der Begriff ist irreführend und zugleich verharmlosend. Er soll erstens ausdrücken, dass diese Gruppierungen nicht oder noch nicht «rechtsextremistisch» seien. In der Tat vermeiden sie (mit Ausnahmen) offen antisemitische Parolen. Oder haben sich klammheimlich von diesen Positionen verabschiedet, wie es der Front National in Frankreich tat; Marine Le Pen stellte ihren Vater Jean Marie, zeitlebens ein bekennender Antisemit, zuerst innerhalb der Partei kalt und ließ ihn schließlich rausschmeißen, weil er nicht mehr ins neue Image passte. Oder sie sind gar demonstrativ «philosemitisch» und «Israel-freundlich» wie die niederländische Freiheitspartei von Geerd Wilders. Grundsätzlich stellen diese Parteien auch liberaldemokratische Verfahren nicht in Frage. Im Gegenteil: sie fordern häufig deren Ausbau zu einer direkten Demokratie, auf deren Klaviatur die schweizerische Variante des «Rechtspopulismus», die SVP, geradezu meisterhaft spielt.

 

Zweitens suggeriert das Label «Rechtspopulismus», dass ihm ein «Linkspopulismus» gegenüber stünde, der letzten Endes genauso gefährlich sei. «Wutbürger» tummelten sich auf den beiden Polen des politischen Spektrums. Die einen redeten von «Systemparteien», die anderen von «etablierten Parteien». Mit Eliten haben beide nichts am Hut: Die einen sind Intellektuellen-feindlich, die andern schüren den Neid auf die Besitzenden. Und beide seien sie «anti-europäisch» oder mindestens «EU-kritisch». Die (zumindest implizite) Konsequenz der Rede vom «Populismus» ist die, die wir auch schon aus der «Extremismus»-Debatte kennen. Sie lautet, dass das politische Heil in der Mitte liege, bei den Parteien, die sich seit jeher an der Macht ablösen – «ein bisschen liberal, ein bisschen sozialdemokratisch, ein bisschen christdemokratisch, ein bisschen gaullistisch», wie es Peter Niggli am Beispiel der Schweiz formuliert, brav im Rahmen der staatlichen Institutionen und nicht etwa auf der Straße. Gegendemonstrationen oder gar das Blockieren von Pegida-, AfD- oder sonstigen xenophoben oder rassistischen Demos liegen nicht drin.

 

Wir sollten uns nicht unserer politischen Handlungsmöglichkeiten und unseres Rechts auf Versammlungsfreiheit berauben lassen. Statt uns auf das Einerseits-Andererseits der «Populismus»-These einzulassen, sollten wir die neuen rechten Gruppierungen als das beschreiben, was sie sind: nationalistisch – zuweilen bloss nationalkonservativ, immer häufiger aber völkisch –, wirtschaftspolitisch meistens neoliberal, orientiert an autoritären Moralvorstellungen, rassistisch. Und wir sollten zeigen, dass die «Mitte» bei dem Versuch, die «Ängste der Bevölkerung» ernst zu nehmen, gerade in der Flüchtlings- und Migrationspolitik regelmäßig wahltaktische Zugeständnisse an die Rechten macht oder– noch schlimmer – dass sie die Gefahr von rechts als Legitimation für ihre eigenen Pläne zur Einschränkung des Rechts auf Asyl benutzt.

 

Heiner Busch