Türkei: Die Geiseln sofort freilassen und das Verbot von Roj-TV aufheben!

Geiselnahme von drei deutschen Bergsteigern am 9. Juli 2008 - Die PKK hat sich mit dieser Aktion auf einen gefährlichen Weg begeben. - Trotzdem: Einstellung der Repression gegen kurdischen Einrichtungen

Die Kommandantur des Gebietes Serhad der Volksverteidigungskräfte (HPG) der PKK hat sich zu der Geiselnahme von drei deutschen Bergsteigern am 9. Juli 2008 bekannt. "Solange der deutsche Staat keine Erklärung abgibt, dass er von seiner feindlichen Politik gegenüber dem kurdischen Volk und der PKK absieht, werden die deutschen Staatsbürger nicht freigelassen." Geiselnahme ist grundsätzlich abzulehnen. Frieden wird dadurch nicht geschaffen. Erforderlich ist vielmehr Vertrauensbildung. Geiselnahme ist friedenspolitisch kontraproduktiv. Die PKK hat sich mit dieser Aktion auf einen gefährlichen Weg begeben.

Außenminister Steinmeier hat bereits erklärt, die Bundesregierung werde die geforderte Erklärung nicht abgeben. Was aber passiert dann? Zu befürchten sind militärische Befreiungsversuche, bei denen die Geiseln und die Entführer sogar getötet werden könnten. Dann würde der PKK die Schuld gegeben und die Möglichkeit für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage weiter verbaut werden. Man kann der PKK nur raten, die Geiseln sofort und bedingungslos freizulassen.

Unabhängig von der Geiselnahme fordern wir aus politischen Gründen vom Bundesinnenminister die Aufhebung des Verbots des kurdischen Roj-TV und die Einstellung der Repression gegen die kurdischen Einrichtungen.

Zwangsassimilierung von Minderheiten gehört zu den tragischen Beigaben der Bildung von Nationalstaaten in vielen Teilen der Welt. Menschen- und Minderheitenrechte sollten und sollen dem entgegenwirken, werden jedoch in der Wirklichkeit leider zu oft missachtet. So auch in der Türkei mit ihrem extremen, türkisch eingefärbten Nationalismus. Vor diesem historischen Hintergrund bezeichnen die einen die kurdische Guerilla als Freiheitskämpfer und die anderen als Terroristen. Die Eskalation des Konflikts ist vorprogrammiert.

Die deutsche Regierung steht dabei indirekt auf der Seite des türkischen Nationalismus und seiner Politik der Zwangsassimilierung, statt sich intensiv um eine friedliche Lösung des Konflikts zu bemühen. Der Bundesinnenminister verbietet den kurdischen Sender Roj-TV, der in Dänemark senden darf, und lässt seine Studios schließen. Die Büros kurdischer Vereine und Wohnungen ihrer Mitarbeiter werden durchsucht. Kurdische Politiker werden aufgrund des Terrorismus-Verdikts gegen die PKK verhaftet und verurteilt, obwohl ihnen keine Gewalttaten in Deutschland vorgeworfen werden.

Leider hat auch die EU bislang das Kurden-Thema in ihren Beitrittsverhandlungen mit der Türkei weitgehend ausgeklammert, obwohl ein türkischer Beitritt gänzlich ausgeschlossen sein muss, wenn nicht die "Kurdenfrage" zuvor friedlich gelöst wurde.

Die Kurdenfrage kann gelöst werden: Wenn Ankara eine Amnestie für alle kurdischen und türkischen Kämpfer in dieser Auseinandersetzung erlässt; wenn die PKK entsprechend ihrer eigenen Forderung nach einer friedlichen politischen Lösung endgültig und unter internationaler Kontrolle auf den bewaffneten Kampf verzichtet, und wenn EU und Deutschland das Terrorismus-Verdikt gegen die PKK aufheben - damit mit ihr der Dialog aufgenommen werden kann - und sich energisch für eine politische Lösung einsetzen, die alle Elemente der Zwangsassimilierung überwindet.

 

gez. Prof. Dr. Andreas Buro

Friedenspolitischer Sprecher des Komitees