Von den unvermeidlichen Schwierigkeiten, Anfang des 21. Jahrhunderts, dazuhin in Deutschland, von Menschenrechten zu reden und Brosamen in ihrem Umkreis einzusammeln

Wolf-Dieter Narr (Vortrag am 17.3.2007 anlässlich einer Tagung des Komitee für Grundrechte und Demokratie in Berlin, des 13.3.1937 und seiner 70sten Repräsentation halber) Erste Schwierigkeit. Chancenlos. Grenzenlos nur in den überall vorfindlichen, nicht zu überspringenden Grenzen. Alles ist verstellt. Wohin der Blick fällt. Wohin eine geht und einer weitergehen will. Alles ist verstellt. Nahezu versteht sich. Nie total. Nie absolut. Selbst im Negativen neigen wir Wesen mit unbekanntem Verfallsdatum dazu, zu übertreiben. Gänseblümchen nisten in Felslöchern, sammeln ein wenig Erde an, die sie ihrerseits als Gänseblümchenkrebse wachsen ließ. Allseitiger Dreck und Schlamm zeigt grüne Spuren. Felsen und Schlamm aber herrschen vor. Sie sind die Normalität. Darum gehören zur ersten, nur immer neu zu erwerbenden Eigenschaft menschenrechtlicher Orientierung die Kunst und Anstrengung des „Negativismus“.

Das Menetekel blasst an der Wand: Sieh dir die Engagierten an, wenn erst ihr menschenrechtliches Bekennen begann, wie bald sie lügen. Dem herrschenden Positivismus zu entgehen, dem Herrschaftsschleim des „goodspeak", dürfen menschenrechtlich Möglichkeitsgesinnte nicht im Süßwasser tauchen. Sonst handelten sie deren Menschengeltung um den Preis beifälligen Geredes ein. Vielleicht auch mancher Ehren. Heinemanns Osterrede nach dem Attentat auf Rudi Dutschke gilt immer. Dass drei Finger derselben Hand auf denjenigen selber zurückweisen, dessen Zeigefinger sich auf andere moralknöchern streckt. Fällt aber so nicht relativiert, vielmehr radikalisiert, uns alle immer mittendrin, unser selbst- und andersgerichtetes Auge auf die Gesellschaft, ihre Politik, ihren Landstreifen, genannt BRD, dann droht es, sich in den argen Herrschafts- und menschenrechtlichen Verfehlungstrümmern hoffnungslos zu verlieren. Arbeit. Nicht genug, dass in der trotz allem nach wie vor bestehenden „Arbeitsgesellschaft" Arbeit als divers qualifizierte Maloche herrschaftsgegeben - unbeschadet lachhafter, kooptativ gerichteter „Mitbestimmung" - die meisten Gesellschaftsglieder notorisch entmündigt und nicht zu sich kommen lässt. Wie sollte da Demokratie möglich sein, also Selbst- und Mitbestimmung?! Vielmehr werden Arbeit und Arbeitslosigkeit so gemischt - gegenwärtig trickreicher als kapitalistisch je -, dass die Psychophysik verelendender Arbeitslosigkeit mitten in der halb gehabten, halb entzogenen Arbeit gähnt. Dass entfremdende, repressiv sanktionierte Arbeit die Arbeitslosen umtreibt und auffrisst. Über das, was „Arbeit" menschenrechtswidrig nach jedem Verständnis in dieser Gesellschaft bedeutet, geben zuerst die Hartz-IV-Geschlagenen Auskunft. Und die, die sich wenig darüber und wenig darunter befinden. Was systematisch mit positiven und negativen Sanktionen verknäulte Arbeit bedeutet, lässt sich jedoch gerade unter den positionell Privilegierten erkennen. Die Universitäten künden in ihrer intellektuellen Verdinglichung exzellenzzentrig davon. Ihr mieser, als intellektueller Hochleistungssport hybrid aufgegebener Karrierismus zerstört eigenen Verstand und ihm unterliegendes Selbstbewusstsein. Schaffenden Spiegeln gleich. Geradezu abbildhaft. Kinder, Junge, Erwachsene wirklichkeits- und urteilsfähig zu bilden – die Art und das Ausmaß, wie das geschieht, kennzeichnet Gesellschaften. Diese Notwendigkeiten des immer wundersam werdenden und/oder verfehlt verstockten Entwicklungswesens „Mensch" drängen in einer global vermittelten und auch noch mit demokratisch menschenrechtlichem Anspruch versehenen Gesellschaft mehr denn je. Das glatte Gegenteil ist der Fall. Die Einübung beliebiger Verfügbarkeiten sind Trumpf, genannt Flexiblität, Mobilität und Leistungsbereitschaft: Menschen mit keinen anderen als ökonomisch fungiblen Eigenschaften werden systemisch auf Konkurrenz getrimmt, mit „Killerinstinkt", die Ungleichheit, elitäres Bewusstsein „leistungsnatürlich" und einen großen Rest der abgestuften Versager erzeugt. Ein x-beliebiger „L