Wer schützt (und gefährdet) die streitbare Demokratie – am Exempel Verfassungsschutz

Einladung zur Jahrestagung 2012

22. und 23. September 2012 in Köln

Nachfolgend veröffentlichen wir eine Kurzusammenfassung und anhängend das Tagungskonzept!

In Skandalen wird er immer erneut allgemein bekannt: der deutsche Inlandsgeheimdienst oder das Bundesamt und die 16 Landesämter für Verfassungsschutz. So seit November letzten Jahres, da aus einem „Nationalsozialistischen Untergrund“ heraus (NSU), der vor allem dem thüringenschen Verfassungsschutz bekannt war, Menschen türkischer und griechischer Herkunft und eine Polizeibeamtin ermodert worden sind.


Der Skandal besteht darin, oberflächlich betrachtet, dass die Verfassungsschützer, in Zusammenarbeit mit der Kripo, nicht rechtzeitig die mörderisch gestaltete Vorurteilsgewalt einer menschenfeindlich gewordenen Täterin und ihrer Mittäter aufdecken und verhindern konnten. Ein Skandal ist es auch und vor allem, dass die steuerfett finanzierten Parteien und die von ihnen bestimmten staatlichen Institutionen zentrale innenpolitische Probleme und öffentliche Auseinandersetzungen einer im Kalten Krieg geschaffenen Behörde überlassen. Sie wurde seit 1951 dazu ausersehen, im Geheimen die eigenen Bürgerinnen und Bürger als potentielle Feinde auszuspähen und zu Vereins- und Parteiverboten beizutragen. Statt eine durch bürgerliche Beteiligung lebendige repräsentative Demokratie kräftig verwirklichter Grundrechte zu schaffen, trug auch das ansonsten der Meinungsfreiheit und bürgerlichen Unversehrtheit zugetane Bundesverfassungsgericht mit der von ihm verkürzten Grundgesetzformel fdGO (=freiheitliche demokratische Grundordnung) als „Verfassungsfeindmarke“ dazu bei, die innere Demokratie zu lähmen. Wir alle haben uns daran gewöhnt, statt munter und streitbar öffentlich unsere unterschiedlichen Meinungen auszutauschen, aufs bürokratisch geheimdienstliche Missverständnis eines Verfassungsschutzes insgeheim oder bewusst zu glotzen.


Von Anfang der Bundesrepublik an erwuchs daraus das Missverständnis, „streitbare“ oder „abwehrbereite“ oder „verteidigungsfähige“ „Demokratie“ bestehe notfalls in allgemeinen Parteiverboten, ansonsten in Vereinsverboten und geheimdienstlich festgelegten Markierungen dessen, was als „verfassungsfeindlich“, in jedem Fall als „extremistisch“ nicht in die gute, willkürlich und eng ausgelegte fdGO-Stube passe. Darum auch das Freiheit durch Drohung ersetzende Wort eines Jakobiners während der Französischen Revolution, St. Just, Ausdruck seinerzeitiger Schreckensherrschaft: „Keine Freiheit den Feinden der Freiheit.“


Der administrative Verfassungsschutz ist, als sei es demokratischer Humus, durch jeden Skandal gewachsen. Er bestimmt bis in die Terminologie hinein die Maßverhältnisse der Verfassung des Grundgesetzes und ihrer Wirklichkeit. Das ist ein demokratisch grundrechtliches Unding, gerade weil es bis zum Bundesverfassungsgericht hingenommen wird, als sei es grundrechtlich und demokratisch rechtens.

Darum gehen wir in unserer Jahrestagung unter anderem folgenden Fragen:

- Wer ist der 1951 geschaffene Verfassungsschutz, wie verfährt er, was macht ihn von Anfang an, geboren im Feindesschaum des Kalten Krieges, als „Hüter der Verfassung“ zu einer Verfassungsgefahr?

- Wie geht der administrative Verfassungsschutz mit Bürgerinnen, Bürgern und ihren Gruppierungen um, die als gefährlich, ja als potentiell kriminell erfahren werden? Oder anders gefragt, ist es Sache eines Geheimdienstes aus dem gesellschaftlichen Schoße der Bundesrepublik erwachsene, Gewalt im Sinne von Vorurteilen, Umgangsformen und Taten übende zu entdecken, zu observieren und wie andere sog. Anweichende Gruppen mit „Verdeckten Ermittlern“ zu unterwandern?

- Wenn´s denn schon einen administrativ-geheimdienstlichen unbescholtene Bürgerinnen und Bürger ausspähende Instanz gibt, genannt Verfassungsschutz, wie wird derselbe denn durch die allgemeine Öffentlichkeit und die repräsentativ demokratischen Hauptinstitutionen, vorab die Parlamente bei seinem demokratischen „Leisten“ gehalten? Wer kontrolliert also die begrifflich und verfahrensförmig untergetauchten Als-Ob-Kontrolleure?

- Wie müssten das Missverständnis und das Missverhältnis administrativ geheimdienstlicher Verfassungsschutz der Demokratie und den Grundrechten gemäß im Sinne der alten Devise: „mehr Demokratie wagen“ umgestaltet und umfunktioniert werden?