26. Juni 2022 © dpa
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Willich: Kreis Viersen will am Montag 57-jährigen Christen in den Iran abschieben

Familientrennung von deutscher Ehefrau und Stiefsohn droht: Der Kreis Viersen will einen 57-jährigen Christen am morgigen Montag (27. Juni 2022) in den Iran abschieben. Damit würde der Mann von seiner deutschen Ehefrau und seinem 13-jährigen deutschen Stiefsohn getrennt, mit denen er seit Jahren in familiärer Gemeinschaft lebt. Zugleich droht ihm im Iran eine Gefährdung von Leib und Leben. Strafen bis hin zur Todesstrafe sind für Christ:innen vorgesehen.

Der iranische Mann war 2015 in einer Mitgliedsgemeinde der Evangelischen Kirche von Westfalen getauft worden und ist gläubiger Christ. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat dem Mann dennoch keinen Schutz gewährt. 2019 heiratete er seine deutsche Ehefrau. Die Rheinische Post berichtete gestern.

Der Kreis Viersen setzt den Mann nun seit längerer Zeit unter Druck, er möge doch ausreisen und dann mit einem Visum zur Familienzusammenführung wieder einreisen, um ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Gerichtlich wurde dieses Vorgehen zunächst bestätigt. Denn das deutsche Aufenthaltsrecht sieht einen solchen Weg durchaus vor. Von dem Erfordernis des Nachholens eines Visumverfahrens kann allerdings abgesehen werden.

Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.:

Die geplante Abschiebung des Mannes in den Iran muss sofort gestoppt werden. Der Kreis Viersen tut so, als ob ein Visumverfahren für einen konvertierten Christen im Iran so etwas ist wie ein Behördenbesuch in der Nachbarstadt Krefeld oder eine Passbeschaffung in Kanada. Das ist völlig lebensfremd.
Abschiebungen in den Iran sind generell völlig unvertretbar. Einen konvertierten Christen aber dorthin abschieben zu wollen, gefährdet Leib und Leben des Mannes. Die geplante Familientrennung schädigt diese Familie sehr. Der 57-jährige Mann ist für den 13-jährigen Sohn seiner Ehefrau ein sozialer Vater geworden.“

Zum Zweck der Vorbereitung der Abschiebung drangen Beamt:innen am vergangenen Mittwochmorgen um 6 Uhr bis in das Schlafzimmer des Mannes in Willich ein und nahmen ihn fest, alles im Beisein von Ehefrau und Stiefsohn. Das Amtsgericht Krefeld verhängte Abschiebehaft. Seither ist der Mann in der Haftanstalt Büren inhaftiert.

Der Mann arbeitete bis zuletzt als Autopfleger bei einer Tankstelle und wurde mit der Inhaftierung in dieser Woche auch aus seinem Arbeitsverhältnis gerissen. Damit ist auch die weitere finanzielle Versorgung seines Stiefsohnes stark beeinträchtigt. Die plötzliche Inhaftierung des Mannes hat zudem bereits jetzt bei ihm, seiner Ehefrau und dem 13-Jährigen seelischen Schaden hinterlassen.

Die verzweifelte Lage der Familie zeigt dringenden Änderungsbedarf im Aufenthaltsrecht auf. Um dem Recht auf Familienleben gerecht zu werden, muss es immer möglich sein, bei der örtlichen Behörde den Aufenthalt zu beantragen. Eine Ausreiseaufforderung ist familienfeindlich.

Kontakt:

Abschiebungsreporting NRW
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Sebastian Rose
Telefon 0221 / 972 69 -32
E-Mail: rose(at)abschiebungsreporting.de

Mehr Informationen: Ihm droht die Abschiebung in den Iran. Willicherin fürchtet um Leben ihres Mannes, Rheinische Post online vom 25. Juni 2022


Hintergrund „Abschiebungsreporting NRW“: Das Projekt „Abschiebungsreporting NRW“ hat im August 2021 seine Arbeit aufgenommen. Es macht besonders inhumane Aspekte der Abschiebungspraxis an Einzelfällen öffentlich und nimmt besondere Härten bei Abschiebungen in den Blick. Mehr Informationen finden Sie hier.