Wider staatliche Repression – für das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit

Die Kriminalisierung der KritikerInnen der von den G8-Repräsentanten und wenigen Repräsentantinnen betriebenen Globalisierung hat schon früh begonnen - und hat System. Deshalb warnen sowohl die OrganisatorInnen des Protestes rund um Heiligendamm als auch weitere bürgerrechtlich engagierte Organisationen schon seit Wochen und Monaten vor der staatlichen Kriminalisierung des Protestes und einer inszenierten Gewaltdebatte.

(Eine englische Fassung folgt am Ende und als pdf-Datei)

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie kündigte zu Beginn dieses Jahres an, das politische und polizeiliche Vorgehen angesichts der zu erwartenden Proteste zu beobachten und die Demonstrationen beobachtend zu begleiten. Unsere langjährigen Erfahrungen mit demonst-rativen Großereignissen ließen uns befürchten, dass erneut der politisch-polizeilich-geheim-dienstliche Umgang mit den Protesten grundrechtswidrig verlaufen würde.

Die Hausdurchsuchungen, die Mittwoch, 9.5.2007, in einer polizeilichen Großaktion bei einem Teil der Organisatoren des globalisierungskritischen Protestes durchgeführt wurden, setzen einen ersten Höhepunkt unverhältnismäßiger staatlicher Repression. Die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit wurden auf diese Weise massiv verletzt, der bundesrepub-likanischen Demokratie wurde schwerer Schaden zugefügt.

Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz betreiben diese "Warnung" vor terroristischen Straftaten und zugleich vor der Gewalt eines Teils der GlobalisierungskritikerInnen von Anfang an. Auf der einen Seite wird zugegeben, dass keine konkreten Hinweise auf die Planung von

(internationalen) Terrorakten vorliegen. Auf der anderen Seite sollen einige Brandanschläge und Ähnliches zur Konstruktion einer terroristischen Vereinigung herhalten. Diese Taten, die den Staat oder eine internationale Organisation sicherlich nicht "erheblich schädige" können, erfüllen jedoch nicht die Voraussetzungen des § 129a StGB. Somit ist die Grundlage für die Anwendung der erweiterten Ermittlungsbefugnisse aus diesem Paragraphen noch nicht einmal gegeben - eines Paragraphen, der grundrechtswidrig die Strafbarkeit vor potentielle Handlungen vorverlagert. Die Grund- und Menschenrechte der von den Hausdurchsuchungen Betroffenen, auch derjenigen, deren Daten auf diese Weise in die Hände der Ordnungsmacht geraten sind, wurden jedoch ganz real und massiv verletzt. Alle Erfahrungen zeigen, dass solchen Ermittlungen nach §129 a in den allermeisten Fällen keine Anklagen folgen.

Schon vor der Sicherheitskonferenz im Februar 2007 sind in München linke Projekte, Betriebe und Privatwohnungen durchsucht worden. Auch hier mussten schon Aufrufe zur Blockade des Flughafens Rostock-Lage im Kontext des G8-Treffens zur Legitimation herhalten. Der Aufruf zu einer friedlichen Sitzblockaden wurde damals zu einem Aufruf zur Stürmung des Flughafens, somit zu einem Aufruf zu Straftaten, polizeilich und auch amtsrichterlich uminterpretiert. Das Landgericht München konnte nur im Nachhinein feststellen, dass diese Hausdurchsuchungen rechtswidrig waren. Die Polizei hatte jedoch zunächst eine Menge Daten über diejenigen gesammelt und ausgewertet, die die Proteste gegen die Sicherheitskonferenz in München organisierten.

Die Warnungen vor gewaltbereiten Demonstrierenden wie auch die mit den Hausdurchsuchun-gen manifestierte Kriminalisierung des Protestes insgesamt zerstören das Vertrauen in die Möglichkeiten eines konsequenten bürgerlichen Protestes. Schon im "Kavala-Report" (Ausgabe 1/2007) - dem "Magazin der BAO (Besondere Aufbauorganisation) Kavala zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm" - werden in der Beschreibung des Protestes der GlobalisierungskritikerInnen Blockadeaktionen mit Sachbeschädigungen bis hin zu Brandstiftungen gleichgesetzt. Über die Protestverläufe in Seattle und Genua wird berichtet, ohne die massive direkte und strukturelle Gewalt der Polizei auch nur zu erwähnen. Immerhin ist die Polizei wegen einem rechtswidrigen Polizeikessel in Seattle zu Schadenersatz verurteilt worden und können die Schilderungen der polizeilichen Gewalttaten in der Diaz-Schule von Genua jeden Demokraten nur erschaudern lassen, nicht zu schweigen von dem belegten Versuch Indizien zu schmuggeln.

Wer nur in Sonntagsreden tönt, der friedliche Protest würde toleriert und wäre "von den Sicherheitsmaßnahmen nicht berührt" (BKA-Präsident Ziercke), den Protest aber zugleich kriminalisiert, hat das vom Bundesverfassungsgericht weit ausgelegte Recht auf Versammlungs-freiheit, an den von den Bürgern und Bürgerinnen selbst zu wählenden Orten, nicht verstanden. Versammlungen "enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren". (Brokdorf-Beschluss) Die zu gewährende Sicherheit der G8-PolitikerInnen kann nicht bedeuten, sie vor der Kritik der Bürger und Bürgerinnen zu "schützen". Das stellte die Demokratie auf den Kopf.

Mit Überwachungen, Durchsuchungen, Meldeauflagen, Einreiseverboten, Demonstrationen verbietenden Allgemeinverfügungen werden Formen struktureller staatlicher Gewalt sichtbar. Die Bürger und Bürgerinnen können wir nur aufrufen, sich nicht von ihrem Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit abhalten zu lassen. Grundrechte kann man nur schützen und verteidigen, indem man sie in Anspruch nimmt. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie wird mit ca. 25 Demobeobachtern und -beobachterinnen ab dem 2. Juni 2007 rund um Rostock und Heiligendamm zugegen sein und das Vorgehen beobachten - zum Schutz der Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

 

Against state repression – For the fundamental right of assembly and freedom of expression

 

The criminalisation of the critics of G8 representatives started early and is systematic. This is why, for the past few months, the organisers of the protests, as well as civil liberties organisations, have warned against the government's attempts to criminalise the protests and orchestrate a media debate on violence.

At the beginning of this year, the Committee for Fundamental Rights and Democracy announced that it would monitor the political strategies and police actions with regard to the expected protests and would observe the demonstration. Our long-standing experience with mass protest events made us fear that yet again, the actions taken against the protests by politicians, police and security services would violate fundamental civil and political rights.

The numerous police raids carried out on Wednesday 9 May 2007 in social centres and private homes of some of the organisers of the alter-globalisation protests represent the first step of disproportionate state repression. The fundamental rights of freedom of assembly and freedom of expression were thereby massively violated, and German democracy has been severely damaged.

The Federal Criminal Police Authority (Bundeskriminalamt) and the German internal security service (Verfassungsschutz) have continuously issued "warnings" of terrorist acts and possible violence by elements of the globalisation critics. Yet, on the one hand, they admit that there is no concrete evidence for planned (international) terror acts, and on the other, arson attacks and other incidents are now being used to construct a terrorist organisation. These incidents, however, present no serious threat to the state or an international organisation, and do not therefore justify the charge of terrorism as laid down in Article 129a of the German Criminal Code (StGB).

Consequently, there is no legal basis for the activation of the extended police investigation remits linked to this Article – an Article, which, in violation of fundamental rights, criminalises potential acts expected in the future. The civil and human rights of those affected by the police raids, however, and also the rights of those whose data has ended up in the hands of police, have been fundamentally violated. All experiences with criminal investigations initiated on grounds of Article 129a show that in more than 90% of cases, no concrete criminal charges follow. In February 2007, before the NATO security conference in Munich, left-wing projects and private homes had already been searched. Here too, public calls for the blockade of the airport in Rostock-Lage in the context of the G8 meeting were used to legitimise the police action. The call to participate in a peaceful sit-down protest was deliberately misinterpreted by the authorities as a call to commit a crime. The regional court of Munich judged retrospectively that these police raids were illegal. The police, however, achieved their aim, which was to collect and evaluate a mass of data on those organising the protests against the security conference in Munich.

The warnings about violent demonstrators, as well as the criminalisation of protest by way of police raids, destroy any trust in the possibility of effective civil protest. In the "Kavala report" (issue 1/2007), published by the Special Unit (BAO, Besondere Aufbauorganisation) set up by the regional authorities for the G8 summit in Heiligendamm, the blockade is already conflated, in the description of the protests of globalisation critics, with property damage and even arson. The magazine describes the protests in Seattle and Genoa without even mentioning the enormous and systematic violence of the police towards the protesters during these summits. And this despite the fact that in Seattle the police were successfully prosecuted for damages to be paid on grounds of the unlawful police encirclement of protesters. Moreover, the reports of the violent police raid on the Diaz school in Genoa would make any democrat shudder, not to mention the proven attempts by police to plant false incriminating evidence in the school during the action.

Those who make empty speeches claiming that peaceful protest is being tolerated and "not affected by the security measures" (BKA president Zierke) whilst at the same time criminalising the protests, have not understood the right to assembly, defined broadly by the Federal Constitutional Court, at places chosen by citizens themselves. Assemblies "represent an element of original and unfettered direct democracy, which is vital for preventing political life from choking to death in everyday routine" (Brockdorf Decision). The necessity to provide security for the G8 representatives cannot lead to shielding them from public criticism. This would turn democracy upside down.

With surveillance, house searches, orders to report to police stations, entry bans and blanket demonstration bans, the multiple forms of structural state violence become visible. We can only call on citizens not to let themselves be prevented from exercising their fundamental right to assembly and freedom of expression. Fundamental rights can only be protected and defended by exercising them. The Committee for Fundamental Rights and Democracy will be present from 2 June onwards around Rostock and Heiligendamm to monitor the event with some 25 demonstration observers – for the protection of the fundamental rights of assembly and freedom of expression.

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