Am 10. August 2024 wurde ein wohnungsloser Mann bei einem nächtlichen Polizeieinsatz in Düsseldorf durch einen Schuss in den Rücken lebensgefährlich verletzt, er überlebte nur durch eine sofortige Notoperation. Der polizeiliche Schütze wurde wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt angeklagt, das Landgericht Düsseldorf urteilte im Juni mit einem Freispruch. Zusammen mit anderen Organisationen hatte das Grundrechtekomitee die Prozesstage beobachtet und zwei erste Prozessberichte veröffentlicht.
Der Überlebende sagte vor Gericht aus, er habe sich damals im Park schlafen gelegt, als ihn ein Pärchen als Penner und Junkie beleidigt habe. Aus einer Handbewegung schlossen sie fälschlich, der Mann spiele mit einem Butterfly-Messer und riefen die Polizei. Der Mann hatte lediglich mit einem Schlüsselbund hantiert. Auf den Notruf bei der Polizei hin, betraten der Schütze und seine Kollegin den Park, er mit gezogener Waffe. Sie fanden den Mann unbewaffnet vor.
Da er aber den Befehl, sich auf den Boden zu legen, nicht befolgt habe, habe der Polizist mit einem Taser einen Elektroschock gegen ihn eingesetzt, so dass der Mann zu Boden fiel. Als er sich daraufhin laut Aussagen der Beamt*innen bei dem Versuch der Festnahme gewehrt habe und aufgestanden sei, schoss der Polizist aus mindestens 6 Meter Entfernung auf ihn, der dritte Schuss traf den Mann in den Rücken und verletzte ihn lebensgefährlich.
Obwohl die Schüsse laut Gerichtsbeschluss nicht verhältnismäßig gewesen seien, da keine akute Gefahr für Leib und Leben von Menschen bestanden habe, beurteilte das Gericht die Tat zwar als polizeirechtlich rechtswidrig, aber als nicht strafbar und sprach den Beamten frei. Als Begründung wurde ein „stressbedingtes Augenblicksversagen“ herangezogen, der Beamte habe unter dem Eindruck einer „hochdynamischen Situation“ eine Fehleinschätzung getroffen.
Wie üblich endet damit ein Strafprozess gegen einen Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt mit einem Freispruch. Polizeieinsatz sowie Prozess in Düsseldorf weisen darüber hinaus weitere Ähnlichkeiten mit anderen derartigen Fällen auf.
(Potentiell) tödliche Polizeigewalt wird mit allerlei juristischer Kreativität legitimiert. Das „Augenblicksversagen“ ist eigentlich als üblicher Kniff im Verkehrsrecht zu finden, um Ordnungswidrigkeiten wie Geschwindigkeitsüberschreitungen zu rechtfertigen und Fahrverbote zu umgehen und wird nun augenscheinlich zu einem juristischen Mittel im Strafrecht geadelt, um einen Freispruch trotz polizeilichen Fehlverhaltens zu erreichen.
In Dortmund diente die Konstruktion des „Erlaubnistatbestandsirrtums“ (Polizist sieht sich fälschlich in Notwehr) als Grund für die Freisprüche. Diese Begründung war in Düsseldorf nicht anwendbar, weil das Opfer der Polizei den Rücken zuwandte. In Mannheim brachte ein von den angeklagten Polizisten beauftragter und von der Polizeigewerkschaft bezahlter Gutachter das sogenannte „excited delirium syndrome“ als mögliche Todesursache von Ante P. ins Spiel. Das von einem US-amerikanischen Gerichtsmediziner erfundene Syndrom hält keiner wissenschaftlichen Überprüfung stand, muss aber für zahllose polizeigemachte Todesfälle Schwarzer und LatinX-Personen in den USA als Erklärung herhalten.
Die weiterhin steigende Anzahl von Fällen tödlicher Polizeieinsätze und die systematische nachträgliche staatliche Legitimierung ohne jegliche Veränderung in den Vorgehensweisen zeigt immer deutlicher, dass diese Gewalt strukturell und gewollter Teil des Systems Polizei und des Gewaltmonopols ist. Polizeigewalt schafft neben Tod und Verletzung auch Hinterbliebene und Traumatisierte. Immer lauter fordern diese inzwischen zusammen mit zahlreichen Initiativen das Ende tödlicher Polizeigewalt. Als Grundrechtekomitee unterstützen wir dieses Ziel mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln.