01. Mai 2003
Demonstrationsbeobachtung / Praxis & Aktion

Demonstrationsbeobachtung am 30. April und 1. Mai 2003 in Berlin

Die Demonstrationen am Abend des 30.4. und am Tag und in der Nacht des 1. Mai 2003 verliefen friedlich. Sachzerstörungen, Gefährdungen von Personen und polizeiliche Übergriffe sind festzustellen.

Wie seit drei Jahren hat das Komitee für Grundrechte und Demokratie zum Schutz des demokratisch wesentlichen Rechts auf freie Demonstration das demonstrative Geschehen rund um den 1. Mai in Berlin beobachtet. Diese mit ca. 30 entsprechend informierten und kompetenten Personen aus Berlin und der übrigen Bundesrepublik angestellte Beobachtung hat den Sinn, möglichst verlässliche Informationen über das demonstrative Geschehen und die Rolle der Polizei zu präsentieren. Einseitige Interessen oder Mangel an beobachtenden Personen verzerren allzuoft die Berichte über Demonstrationen. Sie haben darum in aller Regel falsche Interpretationen zur Folge. Diese können zu negativen Konsequenzen für die Teilnahme an und den Umgang mit Demonstrationen, einem zentralen Grundrecht der Demokratie, führen.

1. Stenogramm des Verlaufs

a) am 30.4. im Bereich Eberswalder Str./ Schwedter Str. / Mauerpark und Ecke Eberswalder Str. / Schönhauser Allee:

Die Veranstaltung von 2.000 Beteiligten am Mauerpark war bis kurz vor Mitternacht festlich. Die Polizeikette stand hochgerüstet, aber passiv. Kurz vor Mitternacht kam es zu Flaschenwürfen, wurden Steine, Büchsen und Feuerwerkskörper geworfen. Die Polizei reagierte. Sie setzten einen Wasserwerfer ein. Das Hin und Her zog sich ca. eine Stunde hin. Es heizte die Stimmung auf. Die Lage hatte sich schon wieder entspannt, da kam es gegen 1.30 Uhr an der Ecke Eberswalder Str. / Schönhauser Allee erneut zu erheblichen Sachbeschädigungen. Insbesondere die Fensterscheiben einer Berliner Bank wurden zertrümmert. Etliche der Pflastersteinewerfer beachteten dabei nicht, dass sie andere Bürgerinnen und Bürger gefährdeten. Die Polizei reagierte zum Teil geradezu panisch. Festnahmen erfolgten. Das gewaltförmige Hin- und Hergewoge zog sich über zwei Stunden hin.

b) Von der DGB-Demo am Morgen des 1. Mai ab 10.00 Uhr vom Brandenburger Tor aus, ist nur zu berichten, dass sich die Polizei als Verkehrshelferin nützlich machte.

c) Die Demonstrationen der NPD und der antifaschistischen Gegendemonstrationen um 10.00 Uhr mit dem Ausgang am S-Bahnhof Heerstraße bzw. am Theodor-Heuss-Platz zeichneten sich dadurch aus, dass die Polizei beide Demonstrationen strikt auseinander hielt. Die Teilnehmenden der NPD-Demonstration, ca. 2.000 Leute, wurden an einem polizeilich errichteten Nadelöhr individuell kontrolliert. Die Gegendemonstranten kamen höchstens auf Sichtweite an die NPD-Demonstration heran. Bei einem Gerangel wurden einige Personen von der Polizei vorübergehend festgenommen. Von den Gegendemonstranten wurden keine Sachbeschädigungen verübt.

d) Die beiden Demonstrationen um 15 und 18 Uhr vom Oranienplatz und vom Rosa-Luxemburg-Platz verliefen ohne Zwischenfälle. Bei der Nachmittagsdemonstration war die Polizei nicht sichtlich präsent. Am Abend war sie zum Teil mit schwerem Gerät massiv gegenwärtig, jedoch ohne über die genau vorgezeichnete Route einengend auf die Demonstration einzuwirken.

2. Interpretation der Demonstrationen

Die Demonstrationen als Demonstrationen sind rundum friedlich verlaufen. Es herrschte eine ausgesprochen entspannte Atmosphäre. Erst nach den Demonstrationen haben wenige Jugendliche mit Flaschen und Steinen Polizeibeamte beworfen und mehrere Autos in Brand gesetzt. Die Polizei hat nach unseren Beobachtungen keine Gewaltsituation provoziert, aber bei ihrem Eingreifen vereinzelt Passanten rüde und gewaltsam an die Seite der Straßen gedrückt (Oranienstraße). Scharf zu kritisieren ist im Sinne eines demokratischen Demonstrationsrechts, wenn die Polizei gegen vermutete Straftäter individuell gezielt den Einsatz von Wasserwerfern ankündigt und praktiziert (siehe Heinrichplatz). Drei Personen sind aufgrund des Wasserwerfereinsatzes ohnmächtig umgefallen und mussten weggetragen werden.

Die Zurückhaltung der Polizei ließ in Kreuzberg zunächst ein friedliches Volksfest zu. Erst nach dem Brand mehrerer Autos schlug die Situation in immer noch vereinzelte Auseinandersetzungen um. Eine lange Nacht der Sachzerstörungen oder gezielter Gewaltakte brach in Kreuzberg zum 2. Mai hin nicht an.

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