Demonstrationsbeobachtung in Magdeburg

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat sich entschlossen, am 18. Januar 2014 in Magdeburg eine Demonstrationsbeobachtung zu organisieren.

Bereits in den letzten Jahren haben NPD, Kameradschaften und autonome Nationalisten, ähnlich wie in Dresden, das Gedenken an die Bombardierung Magdeburgs für ihre nationalistischen und rassistischen Aufmärsche instrumentalisiert. Unter dem Motto “Initiative gegen das Vergessen” betreiben sie ihre geschichtsignorante Verleugnung von Zusammenhängen und von Verantwortung.

Der dagegen gerichtete Protest sah sich in den letzten Jahren teilweise von der Polizei bedrängt und verfolgt. Während die „Meile der Demokratie“, fernab vom „Trauermarsch“ der Rassisten, von den Honoratioren der Stadt unterstützt wird, wurden all diejenigen, die zu Gegendemonstrationen und Blockaden aufriefen, kriminalisiert. Aber auch Blockaden stehen unter dem Schutz des Versammlungsrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat schon 1995 entschieden, dass Sitzblockaden keine nötigende Gewalt darstellen. Das Oberverwaltungsgericht Münster (5 A 1701/11) hat am 18. September 2012 über ein Blockadetraining gegen Neonazi-Demos geurteilt. Es stellte fest:

„Die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe ist verfassungsrechtlich bis zur Grenze der Unfriedlichkeit geschützt. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden. Es genügt hingegen nicht, dass es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen. Deshalb ist es insbesondere gestattet, die Blockade als Mittel einzusetzen, um das kommunikative Anliegen, öffentliche Aufmerksamkeit für einen politischen Standpunkt zu erzielen, auf spektakuläre Weise zu verfolgen und dadurch am Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilzuhaben. Den Grundrechtsträgern steht die Entscheidung darüber frei, welche Maßnahmen sie hierzu einsetzen wollen, solange sie Rechte anderer nicht beeinträchtigen.“

Die vielfältigen Formen des Protestes sind Ausdruck lebendiger Bürgergesellschaft. Jeder Versuch, die Gruppen auseinanderzudividieren und Teile zu kriminalisieren, ist antidemokratisch.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat beschlossen, die Aktionen im Januar 2014 mit einer Demonstrationsbeobachtung zu begleiten, weil auch Gegendemonstrationen und Blockaden vom Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit geschützt sind. „Versammlungen unter freiem Himmel“, wie es in Art. 8 GG heißt, sind ein hohes demokratisches Gut, das insbesondere in repräsentativen Demokratien geeignet ist, den „politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“ (Brokdorf-Beschluss des BVerfG).

Wir werden mit mehreren Demonstrationsbeobachtern und -beobachterinnen vor Ort sein und das Verhalten aller Beteiligten beobachten und protokollieren.

Wir verstehen uns in dieser Rolle nicht als Teilnehmer_innen der Demonstrationen. Für unsere Demonstrationsbeobachtung ist das Demonstrationsrecht das entscheidende und uns interessierende Grundrecht, für das wir uns mit dieser Form der Aktion einsetzen und das wir zu schützen ausgehen.

Bereits 1981 hat das Komitee erste Erfahrungen mit Demonstrationsbeobachtungen gesammelt und seitdem immer wieder die Erfahrung gemacht, wie wichtig eine genaue Wahrnehmung und Beschreibung der Vorgänge vor und während der Demonstrationen sind. Bei den Grundrechten auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit handelt es sich um hohe Rechtsgüter, die „seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers“ galten (Brokdorf-Beschluss des BVerfG). Demonstrationen sind keine geordneten Aufzüge. Die Vielfalt der Gruppen und die Mannigfaltigkeit der Ausdrucksformen kommen in der Ungeordnetheit zum Ausdruck. Meist kann nicht eine Gruppe oder gar eine Person die Verantwortung für das ganze Geschehen und die Eigendynamik, die im Zusammentreffen der Menschen begründet liegt, übernehmen. Mit Sicherheit kann davon ausgegangen werden, dass gerade eine Vielzahl von Teilnehmern und Teilnehmerinnen und die Möglichkeit, den Protest deutlich und an den Orten, die hierfür von Bedeutung sind, zum Ausdruck bringen zu können, erheblich zur Friedfertigkeit des Protestes beitragen.

 

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