Flotteneinsatz im Libanon ist Friedensverhinderungspolitik

Gründe für die Ablehnung des deutschen Flotteneinsatzes vor der Küste des Libanon als Teil der Militarisierungspolitik.

Welches Mandat hat der deutsche Flottenverband vor der Küste des Libanon? Hat die Bundeskanzlerin die Abgeordneten über seine Kompetenzen getäuscht? Dürfen die deutschen UNIFIL-Schiffe ohne Erlaubnis aus Beirut in die küstennahe 6-Meilen Zone fahren oder müssen sie außen vor bleiben? Wie sind die Tieffliegereinsätze Israels über dem Libanon zu bewerten? So und ähnlich laufen gegenwärtig die Diskussionen in der Öffentlichkeit zum deutschen Militäreinsatz im Libanon-Konflikt. Das jedoch sind nicht unsere Fragen.

Wir würden diesen Einsatz auch ablehnen, wenn Deutschland in dem israelisch-libanesischen Konflikt neutral wäre, den Waffenschmuggel für die Hisbollah effektiv unterbinden könnte, wenn nicht die Gefahr bestünde, in einen möglichen Iran-Krieg der USA und Israels verwickelt zu werden, und ein Zusammenstoß zwischen deutschen und israelischen Streitkräften sicher ausgeschlossen wäre.

Wir haben weiterreichende Gründe, den Flotteneinsatz abzulehnen:

1. Kleine Vorfälle an der israelisch-libanesischen Grenze hat es vor dem Libanon-Krieg immer wieder gegeben. Beide Seiten waren ursächlich dafür verantwortlich. Dass diesmal die Geiselnahme zweier israelischer Soldaten mit einem Zerstörungskrieg gegen Libanon beantwortet wurde, zeigt mit aller Deutlichkeit, dass diesem Krieg politische und strategische Probleme zugrunde lagen. Diese Probleme gilt es zu bearbeiten und zu überwinden, wenn Sicherheit und Frieden für die Staaten und Völker der Region erreicht werden sollen.

2. Doch die UN-Sicherheitsrat-Resolution 1701 konzentriert sich fast ausschließlich auf militärische Aspekte und Maßnahmen. Friedenspolitische Aspekte werden kaum in Betracht gezogen und schon gar nicht Methoden und Bearbeitungsschritte vorgesehen. Die Konzentration auf die militärischen Potentiale der Hisbollah, die Verhinderung von Waffenzufuhren für sie und die Neutralisierung eines Streifens im Libanon bewirken ein Vorgehen nur zu Lasten der Hisbollah und müssen deshalb als einseitige Schuldzuweisung aufgefasst werden. Das entmutigt Ansätze für friedliche Konfliktlösung und stempelt die an dem UNIFIL-Einsatz beteiligten Staaten als ungeeignet für Friedensvermittlung ab. Die aber wird dringend benötigt.

3. Wir treten für Abrüstung in der ganzen Nah- und Mittelost-Region ein – selbstverständlich auch für eine Abrüstung der Hisbollah. Liegt jedoch nicht eine totale militärische Niederlage vor, erfolgen Abrüstungsschritte nur aus der Einsicht, Abrüstung diene der eigenen und der libanesischen Sicherheit und damit der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Andernfalls würde doch nur ein verbissener Kampf um eine geheime Aufrüstung der Hisbollah beginnen, der in den Zeiten „asymmetrischer Kriege“ wahrscheinlich erfolgreich wäre. Das wiederum würde nicht verborgen bleiben und zu erhöhtem Misstrauen auf der israelischen Seite führen mit weiterer Aufrüstung dort und der Möglichkeit prophylaktischer Militärangriffe (preemptive strikes), die wiederum die Aufrüstung der Hisbollah bestätigen würden. Ein nicht endender Zyklus von Gewalt und Gegengewalt, der die ganze Region in Mitleidenschaft ziehen wird und bisher gezogen hat! Diesen Zyklus gilt es durch politische Verständigung zu durchbrechen.

4. Der Libanon-Krieg stand auch im Zusammenhang mit dem Iran-Konflikt. Der Iran fühlt sich von den beiden Atommächten USA und Israel zu Recht bedroht. Einen Angriff dieser Staaten kann Iran nicht abwehren. Die Belieferung der Hisbollah mit Raketen immer größerer Reichweite wurde deshalb als Versuch gewertet, im Libanon ein zumindest konventionelles Abschreckungspotential gegen einen Angriff dieser beiden Staaten aufzubauen. Vermutlich war dies die wichtigste Motivation Israels, das sich selbst dadurch bedroht fühlte, den Libanon-Krieg in dieser verheerenden Weise zu führen. Auch hinter dieser Konstellation stehen politische Probleme (Frage nach einer möglichen nuklearen Bewaffnung des Iran; Israel-Palästina-Konflikt), die es zu lösen gilt. Die gegenseitige Bedrohung erweist sich nur als eine gefährliche Hilflosigkeit der politischen Akteure.

5. Wir sehen die Entsendung des deutschen Flottenverbandes, dessen Tätigkeit sich vermutlich ausschließlich auf den Libanon richten wird, im Zusammenhang mit der Politik der Bundesregierung, die massiv zur Aufrüstung Israels beiträgt. Sie ist bereit, weitere U-Boote an Israel zu liefern, die mit Nuklearwaffen bestückt werden können. Sie werden die Bemühungen in der Region fördern, Gegenbedrohungspotentiale, wie immer auch asymmetrisch gestaltet, aufzubauen. Die Bundesregierung scheint bereit zu sein, auch gepanzerte Fahrzeuge (Dingo) an Israel zu liefern, die für eine mögliche nächste Runde im Bodenkrieg in dieser Region vorzüglich geeignet sein würden. Somit trägt Deutschland zu einer Militarisierung des Konfliktaustrages in Nahost bei. Es wird mitverantwortlich für neue Kriege und für die Blockierung von Frieden.

6. Die Konzentration auf militärische Konfliktbearbeitung, welche die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik nicht nur im Libanon, sondern unter anderem in Afghanistan, im Golf, dem Kongo und auf dem Balkan kennzeichnet, ist eine Friedensverhinderungspolitik. Ernsthafte und großzügig mit Mitteln ausgestattete zivile Konfliktbearbeitung zur Lösung der zugrunde liegenden Probleme sucht man vergebens. Das aber ist die Forderung der Zeit: Vertrauen und Kooperation aufzubauen, um die riesigen Probleme in Regionalkonflikten und der Weltgesellschaft anzugehen, die mit Sicherheit auch Deutschland nicht verschonen werden. Statt dessen rüstet Deutschland auf, um weltweit militärisch im Konzert der industriellen Großmächte mitspielen zu können. Dabei verspielt es die Chance, sich für eine neue, überlebenswichtige Politik einzusetzen. Darum lehnen wir den deutschen Flotteneinsatz vor der Küste des Libanon als Teil der Militarisierungspolitik ab.

V.i.S.d.P. Andreas Buro, Grävenwiesbach

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