Gegen jede Einschränkung des Demonstrationsrechts

Zu aktuellen Bestrebungen zur Einschränkung der Demonstrationsfreiheit - am Beispiel des Umgangs mit den Protesten gegen rechtsextreme und neofaschistische Aufmärsche

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie und der arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin) beobachten mit Sorge die aktuellen Bestrebungen zur Einschränkung der Demonstrationsfreiheit. Am Umgang mit den Protesten gegen rechtsextreme und neofaschistische Aufmärsche wird dies zur Zeit besonders deutlich.

Nach dem "Aufstand der Anständigen" sind Großdemonstrationen gegen Rassismus und Rechtsradikalismus seltener geworden. Rechtsextreme Parteien konnten Sitze in den Landtagen erlangen und ausbauen. Protest gegen Rechtsextremismus wird fast ausschließlich von linken Gruppen sichtbar gemacht. Gleichzeitig berichten die Medien über eine sich angeblich verschärfende Konfrontation zwischen links- und rechtsgerichteten Gruppierungen, die ohne Skrupel Mittel der Gewalt einsetzen. Im April ist ein nächtlicher Brandanschlag auf die NPD-Bundeszentrale in Berlin-Köpenick verübt worden. Jüngst kam es in Wurzen zu einem Rohrbombenanschlag auf das Büro der Bürgerinitiative "Netzwerk für Demokratische Kultur e.V.". Dies geschah nicht im Kontext von Demonstrationen. In Chemnitz wurden die Teilnehmer/innen einer Antifa-Demonstration gegen neofaschistische Strukturen in Sachsen von mehreren Hundert Rechtsradikalen angegriffen. In Medienberichten wird all dies gleichgesetzt und der Eindruck erweckt, das Gewaltniveau stiege auf linker wie auf rechter Seite.

Politiker/innen nehmen dies zum Anlass, Verbote für linke und rechte Demonstrationen zu fordern. Die gesetzlichen Hindernisse gegen Demonstrationen sollen erhöht werden. In Berlin soll sogar der Weihnachtskonsum einen höheren Stellenwert erhalten als die Versammlungsfreiheit. Wie in den Jahren zuvor wird über Demonstrationsbeschränkungen in Shopping-Meilen diskutiert. Auch die Bereitschaft der Polizei, versammlungsfeindlich gegen Demonstrationen und körperverletzend gegen Demonstranten vorzugehen ist gestiegen:

* Der Zugang zu Demonstrationen wird beschränkt oder gänzlich verwehrt. Beispielsweise wurden am vorletzten Wochenende die Berliner Busse mit Teilnehmer/innen von Protesten gegen den Aufmarsch rechtsextremer Gruppen in Halbe anlässlich des sogenannten "Heldengedenkens" so lange durch sich wiederholende Vorkontrollen aufgehalten, bis die Demonstrationen beendet waren. Im thüringischen Saalfeld wurden die Busse komplett in Gewahrsam genommen. Nach Ende der Demonstrationen wurden sie nach Hause zurückgeschickt.

* Immer wieder kommt es zu schweren Misshandlungen von Demonstrant/innen. So z.B. anlässlich einer antifaschistischen Protestveranstaltung gegen den Bombenanschlag in Wurzen am 15.11. 2004. Polizeibeamte schlugen einem jugendlichen Demonstranten mehrere Zähne aus und verletzten sein Gesicht schwer.

* Auflagen, die bisher gegen den militaristischen Charakter vieler rechtsradikaler Aufmärsche gerichtet waren, finden jetzt undifferenziert auf antifaschistische Demonstrationen Anwendung.

 

Aus diesen Gründen wird der akj-berlin anlässlich der Antifa-Demonstration "Schöner leben ohne Naziläden" am 27. November im sächsischen Pirna eine Demonstration beobachten. Wie schon oft werden wir sowohl das Verhalten der Polizei als auch das der Versammlungsteilnehmer/innen vor Ort beobachten und dokumentieren. Wir verstehen uns ausdrücklich nicht als Teilnehmer/innen der Demonstration. Für uns ist entscheidend, das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit zu schützen. Auf der Grundlage unserer Beobachtungen werden wir das polizeiliche Vorgehen in einer Presseerklärung auswerten.

 

Kontakt: Michael Plöse (akj-Berlin: arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin)

Dr. Elke Steven (Grundrechtekomitee)

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