Grundrechtswidrige Hausdurchsuchung

Wir protestieren gegen die Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung aller Computer und Unterlagen in den Redaktionsräumen und bei den MitarbeiterInnen von labournet Anfang Juli.

Im Dezember 2004 erschien ein Flugblatt. Das sah einem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit täuschend ähnlich. In ihm wird auf Möglichkeiten der „Beantragung von Arbeitsgelegenheiten in Privathaushalten“ hingewiesen. Außerdem erschien ein „Bekennerschreiben“ eines „Kommandos Paul Lafargue“, in dem am Ende ein Link zur Internet-Seite von labournet angegeben wurde. Das war‘s. Die Bundesagentur für Arbeit Bochum erstattete Strafantrag gegen Unbekannt. Ironie hält sie aus guten eigenen Gründen für strafbar. Sonst würde sie sich ob ihrer unsäglichen Leistungen, Arbeit massenhaft zu beschaffen, in Scham verkriechen.

Kriminalkommissariat und Staatsanwaltschaft ermittelten nun jedoch nicht den Unbekannten. Kurzerhand machten sie die Journalisten, die hinter der genannten Internet-Adresse standen, zu den Tatverdächtigen. Ein Amtsrichter unterzeichnete amtsstaat-, statt rechtsichernd den Durchsuchungsbeschluss. Auf diese Weise werden von der Judikative Grundrechte verletzt, damit – so muss man vermuten – die ungemütliche Arbeit eines gesellschaftskritischen Netzwerkes beeinträchtigt werden können.

„Strikt rechtstaatlich!“ Konsequenterweise wird der Informantenschutz von Journalisten missachtet und deren freie Arbeit unmöglich gemacht. Aufgrund eines vagen Verdachts gegen Journalisten berufsschädigend vorzugehen, verstößt gegen mehrere Grundrechte: das Grundrecht auf Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit (Art. 5 GG) an erster Stelle. Das maßlose Vorgehen gegen das „Netzwerk für Bildung & Kommunikation in Betrieb & Gesellschaft“ ohne einen annähernd geprüften und fundierten Verdacht ist skandalös. Dass zwischenzeitlich Computer, Disketten, CD-ROMS und Akten wieder frei gegeben worden sind, mildert den Skandal nicht. Sie wurden kopiert und stehen weiteren Ermittlungen unbegrenzt zu Gebote. Wir verurteilen das staatsanwaltliche Vorgehen. Wir fordern die sofortige Vernichtung aller erstellten Kopien. Wider die unrechtsgemäß ermittelnde Staatsanwaltschaft ist nun selbst zu ermitteln. Solche Staatsanwälte dienen nicht dem Staat, wie er grundgesetzgemäß verstanden werden muss.

Unterzeichner und Unterzeichnerinnen: Redaktion Bürgerrechte & Polizei/cilip ; Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen (BAKJ) Heiner Busch, Bern - Prof. Dr. Frank Deppe, Frankfurt - Helga Dieter, Frankfurt - Corinna Genschel, Universität Potsdam - Prof. Dr. Peter Grottian, Berlin - Heiko Habbe, Hamburg - Prof. Dr. Joachim Hirsch, Frankfurt - Pfarrer Hubertus Janssen, Limburg - Volker Mergner, Frankfurt - Rechtsanwalt Dr. Till Müller-Heidelberg, Bingen, Beiratsmitglied der Humanistischen Union - Stephan Nagel, Hamburg - Prof. Dr. Roland Roth, Berlin - Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, Berlin - Dr. Christa Sonnenfeld, Frankfurt, Gründungsmitglied des LabourNet - Dr. Claudia Stellmach, verantwortl. Redakteurin von "Forum Wissenschaft", hrsgg vom Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Marburg - Dr. Elke Steven, Köln - Edgar Weick, Frankfurt

 

Gerade hatten wir diesen Protest formuliert, da erfolgte eine Hausdurchsuchung in den Redaktionsräumen und bei den RedakteurInnen der Zeitschrift "anti atom aktuell". In einem Interview mit der jungen welt (16. August 2005: "Das Vorgehen verstößt gegen mehrere Grundrechte") berichteten wir von diesen grundrechtswidrigen Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Polizei gegen JorunalistInnen. Der Redaktion der "anti atom aktuell" schickten wir eine Solidaritätsadresse, die wir hier dokumentieren:

Liebe Freunde und Freundinnen in der Redaktion der anti atom aktuell, mit Empörung hören wir von der Hausdurchsuchung in Euren Redaktions- und in Euren Privaträumen. Wir verurteilen einen solchen polizeilichen Eingriff in die Pressefreiheit und fordern die sofortige Rückgabe der beschlagnahmten Computer, Datenträger und Ordner. Die Akten und Daten dürfen nicht kopiert und verwendet werden. Gerade haben wir gegen die Hausdurchsuchung und grundrechtswidrige Beschlagnahmung und Kopie von Akten bei der Redaktion von LabourNet protestiert. Berichte über Eingriffe in kritische journalistische Arbeit häufen sich in erschreckender Weise. Unser Protest gegen das Vorgehen gegen LabourNet richtet sich gleichfalls gegen die Hausdurchsuchung, die bei Euch stattgefunden hat. Aufgrund eines vagen Verdachts gegen Journalisten berufsschädigend vorzugehen, verstößt gegen mehrere Grundrechte: das Grundrecht auf Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit (Art. 5 GG) an erster Stelle. Auf diese Weise werden von der Judikative Grundrechte verletzt, damit so muss man vermuten die ungemütliche Arbeit gesellschaftskritischer Netzwerke beeinträchtigt werden kann. Dies geschieht oft "strikt rechtstaatlich", aber grundrechtswidrig. Auf diese Weise wird der Informantenschutz von Journalisten missachtet und deren freie Arbeit unmöglich gemacht.

Mit solidarischen Grüßen

Elke Steven

PS: Unseren Protest gegen die Hausdurchsuchung bei labourNet füge ich bei. Einen Protest von JournalisInnen gegen die Durchsuchung bei "anti atom aktuell" dokumentieren wir in der anhängenden pdf-Datei.

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