24. Sept. 2014
Rente für Gefangene

Rentenversicherung für Gefangene geht in die Bundestagsberatung

In dieser Woche wird zum Thema "Rente für Gefangene" ein neuer Antrag der Fraktion Die Linke in 1. Lesung ohne Debatte an die Ausschüsse verwiesen werden. Die Debatte zwischen den Parteien wird dann mit der 2. Lesung stattfinden. Im Vorfeld dieser bald anstehenden Bundestagsdebatte weist das Grundrechtekomitee erneut auf die zentralen grund- und menschenrechtlichen Argumente hin, die die Einbeziehung von Gefangenen in die Rentenversicherung notwendig machen:

Das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) von 1976/77 enthielt die feste Zusage der Einbeziehung, nur wurde das angekündigte Bundesgesetz nie erlassen. Der Gesetzgeber ist seinerzeit eine Selbstbindung eingegangen. Die Nichteinbeziehung – nun seit 37 Jahren! – grenzt an Verfassungsbruch. Die Nichteinbeziehung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, gegen das Sozialstaatsprinzip und damit zugleich gegen das Menschenwürdegebot des Grundgesetzes. Die ständige Argumentation des Gesetzgebers, Gefangenenarbeit sei keine „normale“ freiwillige Arbeit, ist Folge des Zwangsarbeitssystems des StVollzG, das in einigen Ländergesetzen gerade aufgehoben wird. Wäre das Argument stichhaltig, hätte 1976 das Gesetz gar nicht beschlossen werden dürfen.

Der Ausschluss aus der Rentenversicherung widerspricht dem Resozialisierungsauftrag des Strafvollzugsgesetzes, vor allem dem Angleichungs- und Gegenwirkungsgebot („(1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. (2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.“; § 3 StVollzG). Beim Freiheitsentzug geht es um den Entzug der Freiheit als Strafmaßnahme (was ohnehin umstrit-ten ist). Alles aber, was an Benachteiligungen über den Freiheitsentzug hinausgeht, kommt Zusatz- bzw. Doppelbestrafungen gleich.

Nach 37 Jahren Untätigkeit kann nicht weiterhin auf Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern oder auf fehlende Finanzmittel verwiesen werden. Wir erinnern die Sozialdemokraten an deren eigene Begründung für ein entsprechendes Gesetz von 1979: „Finanzielle Erwägungen dürfen in unserem sozialen Rechtsstaat nicht dazu führen, dass verbüßte Freiheitsstrafen lebenslange soziale Benachteiligungen für den Betroffenen und seine Familie nach sich ziehen.“ (vgl. BTDrs. 8/3335, Anlage 3) Notfalls muss der Bund den Ländern unterstützend entgegenkommen. Der fortdauernde Skandal des Ausschlusses der Gefangenen aus der Rentenversicherung darf nicht weiter hingenommen werden.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hatte im Juni 2011 eine Petition zur Einbeziehung von arbeitenden Gefangenen in die Rentenversicherung eingebracht, die nach drei Jahren Bearbeitungszeit im April 2014 an die Bundesregierung und die Landesregierungen zur weiteren Beratung weitergeleitet wurde. Nun müssen sich Bund und Länder erneut mit dieser Frage beschäftigen.

Martin Singe, AG Strafvollzug im Grundrechtekomitee

 

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